Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen
verkündet der Lehrer vor allen: »So, wir müssen uns heute leider von jemandem verabschieden.« Selbst ein Gespräch aller beteiligten Lehrer der Skifreizeit mit Herrn Meier und dem Jungen vermochte die Situation nicht zu entschärfen. Dem Jungen wurde seine Beteiligung an der kleinen, heimlichen Party zum Verhängnis, weil die Lehrer Meier und Schneider ihm ständigen Regelbruch vorwarfen. Er würde sich weder an die Bettruhe noch an das Alkoholverbot halten. Er musste zwei Tage, bevor ohnehin alle abgereist wären, auf eigene Kosten nach Hause fahren. Niemand hielt zu ihm, obwohl an dieser heimlichen Party viele beteiligt waren, die ihm Schützenhilfe hätten leisten können. Nur das Geburtstagskind brachte den Mut auf, Geld für seine Rückreise zu sammeln. Lediglich die Schüler der Parallelklasse waren bereit, einen Beitrag zu spenden. Aus der eigenen Klasse halfen Ulrich nur wenige Mitschüler.
Mobbing durch Lehrer hat immer auch mit einer schwachen Schulleitung zu tun, der die eigenen Befindlichkeiten wichtiger sind als die Bedürfnisse anderer. Es geht nicht mehr um einen wertvollen Erziehungsauftrag, sondern um Ansehen. An die
Stelle von Geradlinigkeit, Zivilcourage, Konfliktlösungswille und Verantwortungsbewusstsein sind mangelndes Interesse an den Mitarbeitern, mangelnde Aufgabenorientierung, Dauergrinsen und Dressur getreten. Unter solch einer nach allen Seiten offenen Leitung zu arbeiten kann auch für den Mitarbeiter Lehrer ein schier aussichtsloses Unterfangen werden.
PRAXISBEISPIEL ______________________________________
Frau Müller ist Deutschlehrerin. Da sie jedes Jahr sieht, wie viele Schüler ein ungünstiges Bild im Mündlichen Abitur abgeben, gelingt es ihr, für die Jahrgangsstufe 11 eine Rhetorik-AG einzurichten. Die Idee kommt gut an und viele trainieren sich in Gesprächstechniken und Simulationseinheiten fürs Abi. Dieses Zusatzangebot möchte die Schulleitung nun werbewirksam in der Öffentlichkeit vermarkten, und sie beschließt, eine American-Discussion-Runde an der Schule einzuläuten und das Fernsehen für einen Beitrag des Lokalsenders einzuladen. Denn die Schulleitung liebt Medienpräsenz über alle Maßen. Als die Lehrerin von dem Ansinnen unterrichtet wird, ist sie zutiefst abgeneigt. Sie fühlt sich solch einer Aufgabe nicht gewachsen. Ihr Angebot ist noch neu und die Schüler sind in der Praxis noch ungeübt. Sie diskutiert den Wunsch der Schulleitung mit dem Kurs, und alle sind sich einig, dass sie an solch einer öffentlich ausgetragenen Diskussionsrunde nicht teilnehmen möchten. Frau Müller teilt dies der Schulleitung mit und erhält von ihr eine Dienstanweisung, sie möge gefälligst ihre Arbeit so machen, dass es dem Ansehen der Schule nützlich sei. Daraufhin wenden sich der Schul- und der Kurssprecher stellvertretend für den ganzen Kurs an die Schulleitung und teilen ihr mit, dass man so eine »mediengeilen« Schulleitung nicht unterstützen wolle. Bei so viel Gegenwind wird letztendlich die Aktion abgeblasen.
Für die Lehrerin fängt das Dilemma jedoch jetzt erst richtig an. Die AG wird ihr wieder aus der Hand genommen. Es wird ihr untersagt, die Zertifikate an die Schüler auszuteilen. Erfreulicherweise kann sie sich auf die Unterstützung ihrer Kursteilnehmer verlassen, die die Bescheinigung nur aus ihren Händen entgegennehmen wollen.
Mittlerweile ist Frau Müller mit den Nerven am Ende. Ständig steht sie unter Beobachtung von allen Seiten. Wie nach der Nadel im Heuhaufen sucht man nach Gelegenheiten, um ihr pädagogisches Versagen anzukreiden. Als würden die Beschwerden bestellt, häufen sich auf dem Tisch der Schulleitung die Rügen über eine solch »ungeeignete« Pädagogin. Ständig wird ein Verdacht fingiert, durch den ein neuer Vorgang ausgelöst wird. Eine tolle Lehrerin hat ihr komplettes Selbstwertgefühl verloren und steckt in einem Hamsterrad, aus dem sie kein Entkommen sieht. Selbst eine Bewerbung an einer anderen Schule verliefe wohl angesichts ihrer momentanen psychischen Verfassung erfolglos. Auch die Schüler haben verloren: eine engagierte, kompetente Lehrerin. Wieder ein Schritt mehr auf dem Weg zur Mittelmäßigkeit. Eine wirklich tragische Geschichte, eine unter vielen!
Schwache Führungskräfte verstecken sich gern hinter bürokratischen Vorschriften und Erlassen. Dazu bietet das hierarchische Beamtensystem ein erstklassiges Terrain, auf dem Mobbing wunderbar gedeihen kann. Wo lässt es sich sonst so wunderbar verstecken wie hinter
Weitere Kostenlose Bücher