Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen
Lernen: Wer den ganzen Tag vor den Türen des Nachbarn kehrt, der hat keine Zeit mehr, in seinem eigenen »Sauladen« für Ordnung zu sorgen, der hat keine Zeit dazu, seinen pädagogischen Auftrag zu erfüllen. Und das ist eine der wesentlichen Erkenntnisse: Wer andere quält, hat oft selbst viel Dreck am Stecken. Wer dagegen mit sich im Reinen ist, der ist auch mit der Welt im Frieden. Wer zu seinen eigenen Schwächen stehen kann, der muss keine Ecken und Kanten bei anderen glattschleifen. Angesichts des häufigen Kollegenmobbings in der Lehrerschaft muss man sich nicht wundern, dass sich Lehrer mehr und mehr verstecken, statt ihre Überzeugungen vorbildlich zu leben. Ich kann wirklich nachempfinden, wenn Lehrer aus lauter Angst vor der Schulleitung, vor Eltern, Schülern und ihren eigenen Kollegen in die innere Kündigung gehen.
Es stimmt einfach nicht, wenn das Thema »Mobbing« an der Schule kleingeredet wird. Immer noch sprechen die Schulbehörden von Einzelfällen, doch laut einer Studie des Erziehungswissenschaftlers Volker Krumm aus dem Jahr 2001 sind 900000 Schüler im deutschsprachigen Raum von Lehrermobbing betroffen. Wenn jemand als Lehrer eines Tages so weit ist, dass er seinen Frust sogar auf dem Rücken der Schüler auslebt, wie tief muss Schule da gesunken sein, und was soll da überhaupt noch an Gutem für den Heranwachsenden herauskommen? In welchem Dilemma muss ein solcher Lehrer stecken, dass er eines Tages aus der Opfer- in die Täterrolle wechselt und seine Wut am Schüler auslässt, ihn hänselt, bloßstellt, einschüchtert und beleidigt?
Dass Lehrer vor Schülern ihre Macht ausspielen, ist bekannt und wird immer noch schweigend hingenommen. Ich wünschte mir, es könnte gelingen, die Schüler mehr gegen unhaltbare Zustände zu solidarisieren, denn Solidarität, die aus den eigenen Reihen kommt, kann viel bewirken. Ref 10
PRAXISBEISPIEL ______________________________________
Im Februar fahren zwei zehnte Klassen auf eine Skifreizeit. Vorher wurde auf einem Elternabend ein absolutes Alkoholverbot ausgesprochen. Trotzdem treffen sich eines Abends 20 Schüler zu einer heimlichen Fete auf dem Jungenzimmer. Bei einigen Flaschen Bacardi-Cola und Apfelkorn steigt die Stimmung. Als es plötzlich an der Tür klopft, beseitigen die Jungen und Mädchen verräterische Spuren. Der Lehrer Herr Meier und die Lehrerin Frau Schneider treten ein und witzeln: »Hier riecht es aber ganz schön nach Alkohol«, was die Schüler natürlich abstreiten. Mit Augenzwinkern insistieren allerdings die beiden Pädagogen, die Schüler sollten doch mal ehrlich sein, worauf die Flaschen aus dem Versteck geholt werden. Zur absoluten Verwunderung der anwesenden Schüler setzen sich die beiden Lehrer mit dazu, feiern und trinken ein Gläschen mit. Auch der Schüler Ulrich, um den es in dieser Geschichte geht, trinkt etwas mit. Die Runde löst sich auf, ohne dass irgendeiner auch nur annähernd betrunken ist.
Während dieser Skifahrt zeigt Herr Meier deutliches Interesse an der Schülerin Brenda. Ständig schenkt er ihr Schokolade, lobt sie unentwegt vor versammelter Mannschaft, will auf dem Ankerlift immer neben ihr sitzen. Die Sympathie seitens des Lehrers animiert die Klassenkameraden, anzügliche Sprüche zu machen. Es kommt zur Eskalation, als Brenda drei Tage vor Ende der Skifreizeit in ihren Geburtstag hineinfeiert. Obwohl für 22:30 Uhr eine allgemeine Bettruhe angeordnet wurde, schleichen sich die Mitschüler gegen Mitternacht nach und nach zum Gratulieren in Brendas Zimmer und bringen kleine Geschenke mit. Diesmal findet kein Umtrunk statt. Als die beiden Lehrer Meier und Schneider auf einmal im Raum stehen, halten sich dort nur noch zwei Schülerinnen und der Schüler Ulrich mit dem Geburtstagskind auf. Die Lehrer bestehen darauf, dass die Runde umgehend aufgelöst wird. Die
beiden Mädchen verschwinden sofort, nur Ulrich bittet um eine Minute, weil er noch etwas klären wolle, er würde dann ebenfalls umgehend verschwinden. Daraufhin flippt der Lehrer Meier aus, der Junge habe ihm gefälligst nicht zu widersprechen und gegen ausgemachte Regeln zu verstoßen. Der Schüler erwidert, dass es doch auf eine Minute auch nicht ankäme, worauf ihm der Lehrer sagt: »Das werde ich dir schon zeigen, dann fährst du eben morgen nach Hause!« Ulrich zieht es vor, weiteren Ärger zu vermeiden, und verlässt sofort den Raum. Alle glaubten bei der Drohung des Lehrers an einen Scherz. Welch ein Irrtum!
Am nächsten Morgen
Weitere Kostenlose Bücher