Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen
kleine Lernschritte genau nach detaillierter methodisch-didaktischer Vorgehensweise, entmündigt. Abweichen ist streng verboten, das sieht ein Plan nicht vor. Hier wird zentral und nach genauer Anweisung gesteuert. Wundert sich noch irgendjemand, warum Schüler über Langeweile klagen und im Unterricht einschlafen? Wollen wir wirklich, dass Menschen heute und zukünftig ihre eigene Handlungsfähigkeit hierarchischen Systemen anvertrauen, die im Gegenzug maximal Mittelmäßigkeit garantieren, obwohl der Mensch zu viel Höherem berufen ist?
Das, was Lehramtsanwärter teilweise in ihrer Ausbildung an Willkür und Demütigungen erleben, ist an Würdelosigkeit kaum noch zu überbieten: Bloßstellung vor versammelter Mannschaft ä la »Das war Anti-Unterricht, Sie werden mal besser kein Lehrer«, Seminarleiter mit echter Profilneurose, Schulleiter ohne Führungskompetenzen, desinteressierte und überarbeitete Fachlehrer, extreme Arbeitssituationen, praxisfernes Hochschulstudium, aufgeblasene Unterrichtsentwürfe... Der angehende Junglehrer macht das scheinbar Richtige, um sein Überleben zu sichern: Er passt sich an. Nicht der Lernende als Individuum steht dabei im Mittelpunkt des Bemühens, sondern die Umsetzung bürokratischer Vorgänge wird zum Maß aller Dinge deklariert. Auf der Strecke bleibt der Schüler, um den sich eigentlich die Schule drehen sollte.
Warum wird jemand Lehrer?
Diese Frage habe ich mir als Schülerin oft selbst gestellt. Wenn ich meine Schulzeit Revue passieren lasse, dann kann ich mich
an eine Handvoll Lehrer erinnern, denen ich wirklich Respekt und Wertschätzung zolle. Darüber hinaus fällt mir aber auch sofort ein Erdkundelehrer ein, der drei Jahre lang jede Stunde ausschließlich aus dem Buch vorlas und keine einzige Schülerfrage mit eigenen Worten beantworten konnte. Ich erinnere mich an Englischstunden, die waren so langweilig, dass ich sämtliche Edgar-Wallace-Krimis unter dem Tisch gelesen habe, um den Unterricht zu überstehen. In Chemie haben wir die Periodentafel auswendig gelernt, die jeder im Laufe des Schuljahres einmal aufsagen musste, was eine gute Note im Zeugnis sicherte. In Mathe hatten wir eine Lehrerin, bei der niemand den Stoff verstand und jeder einfach zusehen musste, woher er sich das nötige Wissen besorgte. Dafür fiel der Unterricht regelmäßig nach den Klausuren über Wochen aus. Möglicherweise mussten die Arbeiten korrigiert werden? In Musik erledigten wir unsere Hausaufgaben, der Lehrer übte derweil für seine Konzerte Klavier – die gute Note war uns sicherer, je leiser wir waren.
In Deutsch hatte ich bei einem Lehrer Unterricht, der wollte, dass man genau seine Worte nachplapperte und seine Meinung bestätigte. Eigene Gedanken waren absolut unerwünscht. In einem Aufsatz schrieb ich einmal wutentbrannt: Wer nichts wird, wird Lehrer. Das war dann das erste »Mangelhaft«, das ich mit nach Hause brachte. Mir schlotterten die Knie, als ich mir vorab die Reaktion meines Vaters ausmalte, doch er lachte wider Erwarten lauthals darüber: Er war selbst ein absolut schlechter Schüler gewesen, der sich nur über Nachprüfungen von einer Klasse zur nächsten weiterhangelte, weil er vor lauter Langeweile in der Schule den Klassenclown gab, um diese Zeit zu überstehen. Voller Stolz erzählte er regelmäßig, dass er beim gemeinsamen Singen in der Klasse immer ein böses Wort, beginnend mit »Sch«, dazwischengebrummt hat, bis vor lauter Lachen keiner mehr singen konnte
und der Lehrer ihn aus der Klasse warf. Aus meinem Vater ist dann doch noch eine Führungskraft in der freien Wirtschaft geworden. Er hatte sich während seiner Schulzeit immer genau ausgerechnet, welche Noten er schreiben musste, um seine Versetzung nicht zu gefährden. Diese Rechnungen gingen stets auf.
Fragt man einmal bei Bekannten, Familienangehörigen und Freunden herum, dann gibt es kaum einen, der nicht mit solchen Geschichten aufwarten kann. Für die meisten ist Schule ein rotes Tuch. Und bei vielen waren es die Lehrer, die das Lernen und Leben schwer gemacht haben. Dabei gibt es unter den Lehrern die Guten! Sehr engagierte, fleißige, willensstarke Lehrer, denen das Gedeihen ihrer Schützlinge wirklich eine Lebensaufgabe ist. Doch sie verschwinden in der Menge der Lehrer, die ungeeignet, schlecht ausgebildet oder resigniert sind. In der Schule kommen nach mehreren absolvierten Berufsjahren auf einen guten Lehrer drei schlechte.
Und an dieser Stelle erlaube ich mir, die Dinge beim Namen zu
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