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Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen

Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen

Titel: Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina L'Habitant
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deshalb die Schüler zum Weinen bringt, weil sie nun ihrerseits seine Arbeit machen müssten, was sie doch
gar nicht könnten, weil sie nicht wüssten, was sie tun sollten. Der Schulleiter wendet sich nun seinerseits an den betroffenen Fachlehrer. Dieser wird nun ebenfalls entweder stundenlang sein Handeln rechtfertigen und erklären, dass alles ganz anders ist. Oder er wird vorschlagen, man möge sich doch vor Ort seinen Unterricht ansehen, dann hätte man eine Diskussionsgrundlage. Auf jeden Fall wird er sich aber vom Schulleiter anhören müssen, wenn Eltern so reagierten, dann müsse er auf jeden Fall sein Verhalten überprüfen, das ginge ja nun nicht, dass den armen Schülern der Spaß an der Sache genommen würde. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal an die Ausgangssituation erinnern: Wir reden hier nicht über autoritäre Lehrer, die Schüler einschüchtern. Wir sprechen über engagierte Lehrer, die möchten, dass die Schüler über sich hinauswachsen, sich mehr zutrauen, Eigeninitiative übernehmen, Grenzen überschreiten, Mut entwickeln, sich nicht anpassen. Dafür muss man aus der Komfortzone gelockt werden. Und in der wollen die meisten – groß wie klein – stecken bleiben, weil es doch so schön kuschelig ist.
    Der Schulleiter pocht auf eine Lösung, denn der gute Ruf der Schule steht auf dem Spiel. Er liebt es doch viel mehr, jede Woche einmal mit positiver Berichterstattung in der Zeitung zu stehen. Dieses Ansehen darf nicht durch unzufriedene Eltern beschädigt werden. Ein Elternabend muss her! Da sollen dann alle Eltern mal aussprechen, was ihnen am besagten Lehrer missfällt. Suche in der Welt nach roten Autos, und du wirst rote Autos finden, suche nach blonden Menschen, du wirst blonde finden, suche nach Fehlern, du wirst garantiert Fehler finden! Die meisten Lehrer müssen sich solch einem Tribunal immer wieder unterziehen, bis ihr Kreuz eines Tages gebrochen ist. Dann scheiden sie vorzeitig wegen Burnouts aus oder gehen in die innere Kündigung.

    Nur wenige starke Lehrerpersönlichkeiten werden darauf bestehen, dass sich in einem Fall wie dem beschriebenen die einzelnen anklagenden Eltern den Unterricht ansehen und mit dem Lehrer in einen Austausch von Angesicht zu Angesicht treten, statt sich in der Anonymität einer Gruppe zu verstecken. In vielen Fällen erledigt sich dann erst einmal der Konflikt, weil die Eltern genau an dieser Stelle aussteigen. Sie hatten nämlich nie vorgehabt, mit dem Lehrer gemeinsam an einer guten Lösung zu arbeiten. Sie wollten ihren Kopf durchsetzen. Und wer hat das Nachsehen? Die Schüler, die nämlich wochenlang mit einem bedrückten Lehrer zusammenarbeiten mussten, der seinerseits mehr damit beschäftigt war, unbeschadet aus dem Geschehen herauszukommen, als sich seiner eigentlichen Aufgabe zu widmen. Und er musste sich der Tatsache aussetzen, dass jeder Schritt von allen Seiten mit Argusaugen überwacht wurde. Dass die Schule ein Ort ist, wo der Schüler dazu angeleitet werden sollte, Eigenverantwortung für sich zu übernehmen, das wird aus den Augen verloren.
    Man vergisst vielleicht, wo man die Friedenspfeife vergraben hat.
Aber man vergisst niemals, wo das Beil liegt.
    (Mark Twain)
    In diesem Beispiel wackeln drei Stuhlbeine: eine Schulleitung, die nur auf ihr eigenes Image bedacht ist, geringgeschätzte Lehrer, die sich aus der Schusslinie halten, und Eltern, die vor lauter Selbstliebe versäumen, ihr Kind auf seinem Weg richtig zu unterstützen. Kinder, die sich nicht anstrengen müssen, bleiben durchschnittlich. Die Ent-Täuschung setzt spätestens im Berufsleben ein, wenn man sich selbst bewähren muss.
    Seit Jahrzehnten erhält sich ein System, welches in erster Linie Verlierer auf allen Seiten produziert. Die Stuhlbeine
wackeln kräftig und die Schüler sind damit beschäftigt, sich an ihre Sitze zu krallen, um bloß nicht vom Stuhl zu fallen. Wie will man da sinnvoll arbeiten? Talente werden weiterhin verkümmern, und Bildungspolitiker werden immer wieder halbherzige Reformen vorschlagen, um den Unfrieden zu beseitigen. Doch es werden nur neue Pflaster auf alte Wunden geklebt, statt sich das alles gründlich anzuschauen und nachhaltig zu heilen. Ein Grund mag sein, dass viele Bildungspolitiker selbst einst dem Lehrberuf entflohen sind, um in den bürokratischen Tiefen, hinter gesicherten Beamtenschreibtischen zu versinken und dort bis zur Rente in Ruhe zu träumen. Was ihnen einst in der Praxis nicht gelang, spinnen sie dann in der Theorie

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