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Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen

Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen

Titel: Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina L'Habitant
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Universitätsabschluss beimessen soll, der zwar einen höheren Bildungsgrad verheißen mag, aber bei der Bewältigung des Berufslebens oft völlig nutzlos ist.
    Lehramtsstudenten sind in erster Linie damit beschäftigt, im Schnitt pro Semester drei bis vier Hausarbeiten zu schreiben und eine Vielzahl an Tests, Klausuren und Prüfungen zu absolvieren, in denen vor allem auswendig zu lernendes Wissen abgefragt wird. Wie wenig nachhaltig solch eine Reproduktion von Wissen ist, das wissen die meisten bereits aus der Schule. Bei alldem unterliegen die Studenten einem schier unerträglichen Leistungs- und Konzentrationsdruck, denn als Lehrer eingestellt werden in erster Linie diejenigen mit dem besten Notendurchschnitt.
    Lehramtsstudenten sind deshalb während ihrer Ausbildung vorrangig mit der Frage beschäftigt, wie sie sich gegenüber anderen durchsetzen. Da bleibt wenig Spielraum, über sich selbst nachzudenken. Das jedoch ist die Voraussetzung, um überhaupt pädagogisch wertvoll handeln zu können. Denn wir wissen doch alle, dass eine Schulerziehung nur unter ganzheitlichem Aspekt gelingen kann – indem der Mensch in den Mittelpunkt gestellt wird und nicht die Wissensvermittlung. Die für den Lehrerberuf erforderlichen Kompetenzen wie Empathie, psychologische Kenntnisse, Teamfähigkeit und die Begabung für ein gutes soziales Miteinander werden in dieser Art Studium nicht vermittelt. Stattdessen produziert es Menschen, die in einem Ellbogensystem in erster Linie auf ihr eigenes Wohl bedacht sind. Ref 20

    Dabei haben sich angehende Lehrer mit ganz anderen Themen auseinanderzusetzen – und zwar ihr Berufsleben lang! Wie behaupte ich mich vor der Klasse? Wie arbeite ich mit schwierigen Schülern, wie verschaffe ich mir Respekt? Wie gehe ich mit meinen eigenen Ängsten um? Wie begeistere ich Schüler fürs Lernen, wie fördere ich Talente, wie mache ich leistungsschwachen Kindern Mut? Wie gehe ich mit Kritik um, rege zur Mitarbeit an, erkenne Mobbing, vermittle soziale Kompetenz ... Es sind in erster Linie die Lebens- und viel weniger die Wissensfragen, die den Schulalltag ausmachen. Ein geachteter Lehrer hat sich den Respekt seiner Schüler erworben, weil er persönlich gereift ist, zu sich stehen kann, von seinem Tun begeistert ist und auch um seine eigenen Schwächen weiß. Erst dann kann er Schülern gegenüber gerecht auftreten, ihnen aufmerksam zuhören, ihnen natürlich begegnen, sie begeistern und sich für sie überhaupt interessieren. All diese Fähigkeiten kann ein Student heute in der Lehrerausbildung nicht trainieren, weil Professoren immer noch Vorlesungen wie anno dazumal abhalten. Im Studium fehlt jeder Praxisbezug. Studenten harren in erster Linie in den Vorlesungen aus, weil sie es laut den Bestimmungen müssen. Im Studium wiederholt sich damit das, was der Student einst in seinem schulischen Umfeld kennengelernt hat: Einer redet, der Rest schläft.
    Warum müssen Grundschullehrer im Studium Mittelhochdeutsch lernen, ein vollständiges Mathematikstudium absolvieren und auf vier Seiten beweisen, dass 0 ≠ – 1 ist? Den meisten Menschen wäre bereits sehr geholfen, wenn sie die Grundrechenarten beherrschen und vernünftig lesen und schreiben könnten. Allein mit diesen Fähigkeiten kann man es schon weit im Leben bringen, und gerade diese beherrschen immer weniger Menschen. Wenn dann mal ein Student in seiner Vorlesung nachfragt, wie er dies und jenes einem Schüler vermitteln
soll, dann wird ihm gern ein Buch zum Nachschlagen empfohlen. Und so investieren trotz Hochschulreform weiterhin die angehenden Lehrer etwa sieben Jahre wertvolle Lebenszeit in eine Ausbildung, um am Ende resigniert festzustellen, dass sie in ihrem Berufsleben wenig davon anwenden können.
    Kürzlich sah ich im Fernsehen einen Bericht über einen Lehrer in einem Entwicklungsland, der auf eine fünfzigjährige Dienstzeit zurückblickt und kurz vor der Pensionierung steht. Er war der einzige Dorflehrer, der sich um die Schulerziehung aller Heranwachsenden kümmerte. Als man ihn nach seinem beruflichen Werdegang befragte, schilderte er, dass der Staat ihm befohlen hatte, diesen Beruf auszuüben. Er gehorchte und fügte sich in sein Amt. Den Rest lehrte ihn das Leben. Als ich meiner 86-jährigen Mutter davon erzählte, bekam ich zu hören, dass mein Großvater lediglich ein Lehrerseminar besucht habe und sie selbst, als in den Kriegsjahren ein akuter Lehrermangel herrschte, als Schulhelferin eingesetzt wurde und alle acht

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