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Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen

Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen

Titel: Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina L'Habitant
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Referendarszeit wird der Lehramtsanwärter erstmals selbst mit der Praxis konfrontiert. Vorher hat er nur zugeschaut und hospitiert. Nun muss er sich dem Urteil eines Seminarleiters ausliefern, der letztendlich darüber befindet, ob der Lehramtsanwärter die Prüfung besteht oder nicht – und ob er danach eingestellt wird. Wie soll denn ein Lehrer Vorbild werden und eine eigene Identität entwickeln
können, wenn er erst einmal selbst so viele Jahre lang ständig am eigenen Leib erfahren musste, ein abhängiges Nichts zu sein? Er hat gar nicht erleben können, wie es sich anfühlt, sich selbst auszuprobieren und ohne Kritik lernen zu dürfen. Jahrelang wurde ihm immer wieder vorgehalten, was er besser machen soll, und schließlich schlüpft er selbst in die Rolle des Ansagers.
    In der Praxis gibt ein Lehrer also nur das weiter, was er von klein auf kennengelernt hat: Jeder macht mit, keiner hinterfragt. Zumal dadurch auch unliebsame, schmerzvolle Entdeckungen verhindert werden, zum Beispiel die, dass man selbst jahrelang unterdrückt wurde und seine eigenen Talente nicht entfalten konnte. Es könnten ja komplette Lebensentwürfe zusammenbrechen, die auf einem Lügengerüst basieren. Andererseits: Welche Chancen sich bieten würden, wenn ein Lehrer sich eingestehen würde, dass er ebenfalls Talente unterdrückt, statt sie zu fördern! Wollen wir wirklich immer so weitermachen und hinnehmen, dass Individualität sich nicht entwickeln kann, weil ein gemeinverträgliches Agieren im System bezweckt, die Menschen in Schach zu halten und Kontrolle über sie auszuüben?
    Sehen wir uns die Lehrerausbildung noch etwas genauer an: In den Seminaren können sich selbst Haupt- und Fachseminarleiter nicht einigen, welche Struktur beispielsweise ein Unterrichtsentwurf oder ein Unterrichtsablauf aufweisen sollte. Teilweise fragt man sich, ob die Ausbilder selbst jemals vor Schülern gestanden haben, so fern jeder Realität scheinen ihre Ansprüche zu sein. Auszubaden haben es die armen Referendare, die es niemandem recht machen können. Bis zum Schluss verstehen sie oft nicht, was einen guten Unterricht ausmacht. Aber wer im Referendariat nur lernt, sich anzupassen und den Mund zu halten, dazu noch irgendwelche Vorstellungen von »gutem« Unterricht mitbekommt, die nur die
Beschränktheit der Ausbilder zeigen, der wird auch in den meisten Fällen kein guter Lehrer.
    Statt unterrichten zu lernen, sind die angehenden Lehrer Tag und Nacht mit der seitenlangen Ausarbeitung von Unterrichtsabläufen etwa nach folgendem Schema beschäftigt: Die erste Phase ist der »Einstieg«, die Motivationsphase. Dann kommt natürlich die »Präsentationsphase«, in der der Lerngegenstand präsentiert wird. Dann gibt es die Analyse- und Erarbeitungsphasen und zum Schluss immer die »Ergebnissicherung«  – daneben genaue Zeitleisten, in denen sich die einzelnen Lernphasen abzuspielen haben. Hinzu kommen Überlegungen, warum was zu welcher Zeit gelernt werden soll, Begründung, Zielsetzungen, in welchen Kontext der nächste Lernschritt eingebunden werden muss, methodische und didaktische Überlegungen und so weiter.
    Mit diesen Vorbereitungen gehen die Referendare in ihre Prüfungsstunden. Hier erscheinen die Fachleiter und begutachten den Unterricht, erteilen Zwischennoten. Dann gibt es mächtig Punkteabzug für individuell vom Fachleiter erachtete Planungsfehler wie Nichteinhalten des Zeitmanagements, Unangemessenheit der Fachinhalte, Kritik an der methodischdidaktischen Aufbereitung. Die Performance wie Lehrerverhalten und Durchführung der Stunde trifft vielleicht auch nicht unbedingt den Geschmack eines Seminarleiters, dem der angehende Lehrer die gesamten zwei Jahre ausgeliefert ist. Sogar Dinge, die schlecht vorab planbar sind, wie beispielsweise das Arbeitstempo der Schüler, können die Vornoten mächtig nach unten drücken. Und was erst, wenn sich ein Schüler im Unterricht verweigert: Dann ist das ganze Konstrukt kaputt. Als Referendar fallen Sie dann am besten um Erbarmen flehend vor Ihrem Seminarleiter auf die Knie, geloben, dass Sie sich fortan noch mehr anstrengen werden, ein allwissender, fehlerloser, stets handlungsfähiger Lehrer zu
werden. Als Lehrer haben Sie es später dann leichter: Dann beklagen Sie sich einfach über die unerzogenen Kinder, die nicht das tun wollen, was Sie als perfekter Lehrer für richtig halten.
    Das ist Planwirtschaft pur! Lernen nach Unterrichtsentwürfen mit entsprechenden Zielvorgaben, aufgegliedert in

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