Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen
Vorstandsarbeiten, um gegen 22 Uhr ins Bett zu steigen, wo dann noch bis 24 Uhr die Arbeiten korrigiert und die restlichen auf dem morgendlichen Weg zur Schule im stockenden Berufsverkehr berichtigt werden.
Tolles Leben oder auf der Flucht? Allzeit hilfsbereite Menschen rühmen sich selbst, wie belastbar sie sind, wie easy alles sei, wie viel Leistung sie erbringen, dass sie alles »mit links« machen. Sie erhoffen sich im Stillen, dass man über sie denkt: »Wow, was für ein toller Mensch!« Nicht geliebt zu werden, das ist ein großes Dilemma für Helfer.
Wie will man so Grenzen ziehen und dem Schüler ein Vorbild sein? Hektischen Menschen fehlt die Muße, Hektik erzeugt wiederum Hektik. Doch zum Lernen braucht man Ruhe.
Der besonders Korrekte
Steht Korrektheit in der Jugendsprache für ein lobendes Wort der Anerkennung: »Ey, Alter, voll korrekt!«, so meint Korrektheit ansonsten doch eher ein mustergültiges und gewissenhaf tes Verhalten – einerseits untadelig, andererseits langweilig. Überkorrekte Lehrer verhalten sich absolut gesellschaftskonform, sie empfinden eine tiefe Abneigung gegen jede Art von Veränderung. Kreativität wird man vergebens bei ihnen suchen. Sie arbeiten präzise wie ein Schweizer Uhrwerk, kopfgesteuert und emotionslos. Sie bedienen das Vorurteil des akkurat arbeitenden Beamten, der die sogenannten deutschen Tugenden verinnerlicht hat: ordentlich, gründlich, fleißig.
Es sind die Einser-Lehramtskandidaten, die schon im Referendariat mit guten Noten für ihre Gesellschaftskonformität ausgezeichnet wurden und damit unverzüglich die Eintrittskarte in ein lebenslanges Beamtenverhältnis erhalten haben.
Dieser Menschenschlag wird sich immer eng an ein vorgegebenes Prozedere halten und nie auf geistige Abwege geraten.
Dieser Typ Lehrer, grauer als eine Maus, wird nicht mal mehr von den Schülern wahrgenommen. Trotzdem kann man sich manchmal auch irren, denn eines Tages berichtete ein Schüler in unserer Orchesterprobe, als ich spaßeshalber meinte, dass mein Stimmorgan nicht zu toppen sei, über einen solch korrekten Kollegen: »Das stimmt nicht. Herr Meier hat letztens im Unterricht lauter gebrüllt und dabei sogar vor Wut auf das Klavier geschlagen.« Wir schauten den erzählenden Schüler fassungslos an, konnten gar nicht glauben, dass sich ein so heftiges emotionales Lebenszeichen seinen Weg durch so viel Sachlichkeit bahnen konnte. Das Prinzip der drei L: »Loslassen – Lebendigkeit – Lachen« schien bei diesem Kollegen für einen Moment durchgeschlagen zu sein, denn mit dem Loslassen kommt die Lebendigkeit, und mit der Lebendigkeit kommt das Lachen. Das Gute dabei ist, lebendige Menschen werden immer wahrgenommen, auch ohne dass sie das Klavier malträtieren müssen. Schüler brauchen lebendige Lehrer. Sie brauchen Begeisterung als Lebensmotivation, Neugier, Mut, Optimismus und Humor! Ref 21
Der Lehrer, der Kritik und Auseinandersetzung scheut
In dem Lied »Wie komm ich bloß an diesem großen Hund vorbei?« von Fred Kinglee & Die King Kols heißt es: »Im Leben gibt es Situationen, die sind im Grunde lächerlich und dumm, denn plötzlich steht dir irgendwas im Wege, und leider kommst du nicht darum herum.« Während sich der Ängstliche in diesen Situationen verstecken würde, entscheidet sich dieser Lehrertyp für eine Taktik des Anbiederns, er wirft ständig leckere Wurstscheiben aus. Unaufhörlich bombardiert er Kollegen, Schüler und Eltern mit Komplimenten und Zustimmung. Sein Hauptmotiv ist, dass er gut dastehen will. Kritik an
seiner Person kann er nicht aushalten, das würde sein ohnehin schon geringes Selbstwertgefühl gar nicht verkraften.
Es ist genau dieser Typ Mensch, der Vertrauenspositionen zu seinem Vorteil ausnutzt. So hörte ich einmal von einer Lehrerin, die ihre Stellung in der Schülervertretung jahrelang missbrauchte, um Schüler dazu zu bewegen, gegen unliebsame Kollegen Briefe zu verfassen und bei der Schulleitung zu hinterlegen. Auf diese Art unternahm sie stets etwas gegen Kollegen, ohne selbst in Erscheinung treten zu müssen. Keine Frage, dass sie den betroffenen Lehrern immer mit entgegenkommendem Lächeln die Türe aufhielt und sich nach ihrem Befinden erkundigte. Wer würde da je vermuten, dass in so einer netten Lehrerin zwei Personen vom Schlag eines Dr. Jekyll und Mr. Hyde schlummern könnten?
Auf den eigenen Unterricht verwendet ein Lehrer dieses Typs wenig Aufmerksamkeit. Manchmal pflegt er seinen Stil mit dem sokratischen Ansatz
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