Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen
unzumutbare Arbeitsbedingungen oder wachsende Erziehungsprobleme können niemals pädagogisches Fehlverhalten
entschuldigen. Denn die Folgen sind seelische Verletzungen, die Heranwachsende manchmal ein Leben lang prägen. Der Lehrerberuf ist ein überaus verantwortlicher, der mit großer Sorgfalt erfüllt werden muss. Materielle Schäden sind zu verschmerzen, aber psychische Schäden verantworten zu müssen sollte jedes Lehrergewissen sofort alarmieren.
Deshalb ist für Lehrer eine kritische Selbstreflexion sehr wichtig: Denn erst der gnadenlose Blick in den Spiegel ermöglicht die ersten Schritte zu entscheidenden Veränderungen zum Wohle derjenigen Menschen, um die es ausschließlich im ganzen Schulsystem gehen sollte: die Schüler! Schauen wir uns an, unter welchen Bedingungen viele, viele Heranwachsende tagtäglich zu leiden haben.
Dabei gilt es jedoch auch immer zu beachten: Lehrer sind natürlich auch eine beliebte Zielscheibe. Sie werden Tag für Tag beschimpft, über sie wird gelacht, und sie werden für unfähig erklärt. Sogar aus den eigenen Reihen wird scharf aufeinander »geschossen«. Es gibt kaum einen Beruf, der so sehr jeden Tag im Fokus der Kritik steht. Lehrer können noch so gut sein, sie machen es einfach niemals jedem recht. Irgendjemand meint immer, ihnen Inkompetenz unterstellen zu müssen, da alle glauben, etwas von Erziehung zu verstehen. Als Lehrer können Sie nicht mehr auf die Solidarität und den Respekt der Gesellschaft hoffen, ja noch nicht einmal von Ihren eigenen Kollegen. Als »Fußabtreter« einer ganzen Nation sind Lehrer stets in Verteidigungs- und Rechtfertigungshaltung. Zudem war es noch nie so einfach wie heute, Lehrer zu kritisieren und sich an ihnen zu rächen, sie zu diffamieren und zu beschämen. Die Anonymität des Internets bietet einen idealen Raum, um unerkannt Dampf abzulassen und angestaute Aggressionen loszuwerden. Dennoch möchte ich hier einige »Lehrertypen« aufzeigen, die Schülern tatsächlich das Leben schwer machen.
Der ängstliche Lehrer
Geprügelt von allen Seiten, ist es nicht verwunderlich, dass viele Lehrer ihren Beruf angstvoll ausüben. Sie haben Angst vor Kritik, Angst vor unangenehmen Situationen, Angst vor dem eigenen Versagen, Angst vor dem Ausbrennen angesichts des Arbeitspensums, Angst vor einer Klasse von Heranwachsenden, die einem das Leben zur Hölle machen können ... Die Bewältigungsstrategien sind manchmal hilflos und unnütz. Gerade die Flucht nach hinten bewirkt, dass der Lehrer dabei zu jedermanns Spielball wird und die Achtung vor sich selbst verliert. Was sollte man auch an einer Person respektieren, die alles durchgehen lässt, sich uninteressiert zeigt, im Klassenzimmer ausharrt, als sei sie lebendig begraben, und keine Unterrichtsstruktur mehr vorweisen mag – und das alles, um bloß nicht anzuecken. Manche ängstliche Lehrer verbringen ihre Unterrichtszeit bevorzugt in Kopierräumen.
Weil die Schulpflicht doch schon Last genug ist, werden die Schüler nicht unbedingt zur Teilnahme am Unterricht angeregt: »Wer mag denn mal seinen Text vortragen? Keiner? Müssen wir ja jetzt auch nicht machen, ich gebe euch mal einen Text zu lesen und gehe runter was kopieren.« Außerdem kommt mit Vorliebe ein schier unerschöpfliches Repertoire an CDs, Filmen und chlorgebleichtem Papier zum Einsatz. Eine eigentlich sinnvolle Unterrichtsstrategie wie Learning by doing in Gruppenarbeit wird durch das folgende Vorgehen ad absurdum geführt: »So, geht mal an die Computer und macht eure Gruppenarbeit weiter. Wenn ihr Vokabelfragen habt, googelt ihr einfach. Ich bin mal unten was kopieren.«
Die Flucht aus dem Klassenzimmer scheint zumindest kurzfristig auf allen Ebenen von Erfolg gekrönt: Der Lehrer steht nicht mehr im Fokus der Kritik, er hat sich in Luft aufgelöst, keiner lernt mehr etwas, und alle haben ihre Ruhe. Von Seiten des Lehrers steckt nicht einmal Faulheit, sondern eine andere
Strategie dahinter: Wer Angriffsfläche vermeidet, der wird in Ruhe gelassen.
Aber Lehrer dürfen nicht ängstlich agieren. Denn es ist die Aufgabe eines Lehrers, den Schülern zu persönlichem Wachstum zu verhelfen. Das ist immer mit Anstrengung für alle, mit Widerständen und Rückschlägen verbunden. Und es wird auch in den wenigsten Fällen mit Zustimmung belohnt. Doch wie oft konstatieren Schüler rückblickend, dass ein von ihnen damals als »anstrengend« und »fordernd« kritisierter Lehrer letztendlich gut für sie war.
Der Lehrer, der immer
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