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Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen

Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen

Titel: Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina L'Habitant
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zu begründen: Dabei gibt der Pädagoge vor, der Unwissende zu sein, und stellt Fragen, in denen die Antwort schon verborgen liegt. Der Kern des sokratischen Dialogs ist es, dass durch gezielte Fragen die Schüler selbst zu Erkenntnissen gelangen sollen. Was mich immer wieder in Erstaunen versetzt ist, wie sehr der Unterrichtsstil und die Persönlichkeit eines Lehrers zusammenpassen. Welche Methode könnte für einen Opportunisten besser geeignet sein, als den sokratischen Ansatz für seine Zwecke zu missbrauchen, anderen nach dem Mund zu reden, die eigene Meinung zu verleugnen und durch geschicktes Taktieren die Leute dahin zu bringen, wo man sie haben will.
    In der Regel vertreten diese Lehrer auch keine eigene Meinung. Sie sind nach allen Seiten offen. Heute fordern sie, dass man auch den Leistungsschwächsten im Unterricht mitnehmen müsste, was ja an sich ein hehres Anliegen ist. Morgen lesen sie in der Zeitung, dass Schule mehr Leistung einfordern
sollte, da beklagen sie, dass die starken Schüler durch zu viel Rücksicht auf schwächere auf der Strecke blieben.
    Was kann der Schüler von einem Lehrer erwarten, der im Unterricht – obwohl selbst übergewichtig – Schüler mit den Worten vorführt: »Kindchen, so dick, wie du bist, kommst du nie auf den Barren«, um dem Angesprochenen selbst im nächsten Moment den Wind aus den Segeln zu nehmen: Der habe die Ironie nicht verstanden, der Lehrer könne ja schlecht über sein Aussehen witzeln, wo er doch selbst eine Kugel vor sich her schiebe. Diese Lehrer sind perfekte Rollentauscher, vom Täter zum Opfer, ohne Gewissen. Sie schüren ein narzisstisches Gesellschaftsbild, in dem es nur um die eigene Befindlichkeit geht.
    Der unflexible Konservative
    Auch engstirnige, kleinbürgerliche Lehrer, die beharrlich auf ihren Anschauungen beharren und keine abweichenden Lebensformen ertragen, sind eine Zumutung für Schüler. Diese Lehrer denken in festen Bahnen und zeigen bisweilen neurotische Verhaltensweisen im zwischenmenschlichen Bereich wie Kontaktschwäche, Misstrauen und Sadismus. Nichts widerstrebt ihnen mehr als Unkonventionalität und Lockerheit. Deshalb können sie mit offenen Lernstrukturen wie entdeckendes Lernen, Aktivieren von Neugier und Delegieren von Lernprozessen nichts anfangen. Ihr Unterrichtsstil fußt auf Belehrung mittels fertiger Erkenntnisprodukte im Charakter einer Vorlesung. Einsam steht der Lehrer vor der Tafel und löst still Aufgabe für Aufgabe, hält Vorträge, die keiner versteht. Ellenlange Formeln werden an die Tafel geschrieben, während die Schüler vor sich hindämmern oder sich die Zeit mit dem neuesten Tratsch totschlagen. Das sind Unterrichtsstunden, in denen keiner etwas versteht, niemand etwas lernt – es ist verschwendete Lebenszeit.

    Diese Lehrer wissen natürlich, dass sie die Schüler letztendlich nicht erreichen. Wer stundenlange Vorträge hält, den bestraft das Leben. Da helfen auch keine Klassenbucheinträge weiter: »Jonas bewirft Lehrer mit Kreide. Simon stört, weil er seinen Übungstisch mit dem Knie anhebt und lautstark fallen lässt. Matthias und Lucas schwatzen.« Sämtliche Signale von Langeweile werden gnadenlos abgestraft. Fatalerweise schaden sich allerdings die Schüler dabei auch selbst, und sei es nur, weil sie in Nachhilfestunden den unverstandenen Stoff für die Klausuren nacharbeiten müssen. Da die derart unflexiblen Lehrer jedoch nicht im Ansatz eine Diskussion zulassen, geschweige denn ihren Unterrichtsstil reflektieren können, belächeln und verachten sie jede abweichende Lebensform und jede Kritik.
    Gern schafft ein solcher Lehrer durch böse Sprüche einerseits Distanz und lebt andererseits kleine Machtfantasien aus: »Der Jan setzt sich jetzt bitte auch mal hin und beschränkt seine Verrücktheit so weit, dass man ihn mit einer Zwangsjacke wegtragen kann« oder: »Herr Hösel, Sie sind doch nicht doof. Hösel fängt ja mit H und nicht mit D an.« Oft sind diese kleinen Gemeinheiten der einzige »Spaß«, den die Stunde hergibt, und ein wenig Schadenfreude auf Kosten anderer ist bekanntermaßen die reinste Freude. Somit erfährt dieser Lehrer manchmal auch noch Zuspruch, und sei es der kurze Lacher, der ihn nur zu weiteren Sprüchen anstachelt.
    Auch Kollegen bleiben vor diesen Typen nicht verschont. Liebend gern wühlen sie in den Schwächen anderer herum, um sich auf deren Kosten zu amüsieren, selbst haben sie ja nichts zu bieten – außer gnadenloser Langeweile. Als eine etwas

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