Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen
und Hilfsbereitschaft sind in dieser Gesellschaft, obwohl sie auf ihre individuelle Selbstverwirklichung pocht, zu einem raren Gut geworden. Mir scheint oft, dass viele nach der paradoxen Devise leben: Das Recht auf Freiheit der Person dehnt die eigene Freiheit bis ins Unendliche aus.
Doch Freiheit hat auch ihre Grenzen: genau da, wo die Freiheit anderer beginnt. Je mehr Menschen zusammenkommen, desto mehr Rücksichtnahme auf das gesellschaftliche Zusammenleben wird dem Einzelnen abverlangt. Deshalb ist der Freiheitsbegriff eine situationsbedingte Variable und keine universelle Größe.
Das Miteinander lässt sich kaum irgendwo besser trainieren als in der Schule. Doch genau dort kommt es häufig zu Grenzüberschreitungen und Übergriffen. Und schon die Umgebung in den Schulen präsentiert sich respektlos: unsaubere Toilettenräume, keine Papiertücher, keine Seife ... Rein funktionale Klassenräume, manchmal gar Behelfsbarracken. Mit Müll übersäte Flure mit den Spuren verschütteter Getränke und zertretener Butterbrote. Tafeln ohne Kreide ... All das vermittelt
einem Schüler nur eins: Du verdienst nichts Besseres! Du machst sowieso alles kaputt, du kannst dich nicht benehmen, für dich ist das hier alles gut genug. Kein Wunder, wenn Schüler sich mit ihrer Schule nicht identifizieren möchten, dass sie destruktiv werden, sich eingesperrt und ihrer Freiheit beraubt fühlen.
Es kann auch ganz anders zugehen, wie der Film »Treibhäuser der Zukunft« von Reinhard Kahl aufzeigt: Schulen als liebevolle Lebenswelten, die den Schüler mit seinen Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellen und ihm einen Vertrauensvorschuss geben, dass er durchaus in der Lage ist, mit dem Eigentum anderer verantwortungsvoll umzugehen. Schulen, die durch eine sorgfältig vorbereitete Umgebung zum Verweilen einladen und zum Lernen anregen. Schulen, in denen die Lehrer als »Gastgeber« den Schülern allen Respekt erweisen, sich auf sie freuen, sie willkommen heißen und ihnen zeigen, dass sie es wert sind, dass man gut für sie sorgt.
In diesem Zusammenhang sollten Pädagogen einmal über den Tellerrand schauen und vom weltbesten Hotelier Horst Schulze lernen. In einem Interview definiert er ganz klar, was hervorragenden Service ausmacht: »Schuld an schlechtem Personal ist immer das Management. Wenn ein Manager sich bei mir über fehlende Motivation von Mitarbeitern beklagt, entlasse ich ihn. Ein Manager ist ohnehin jemand, der in seinem Büro sitzt und versucht, Probleme zu lösen, von denen er nichts versteht. Ein Hotel können Sie nur mit Leadership führen. Ein Manager, der einen Zigarettenstummel im Beet entdeckt, staucht den Gärtner zusammen. Ein Leader hebt den Stummel auf, wirft ihn in den Müll und fragt den Gärtner, was geschehen müsse, damit so etwas nicht wieder vorkommt.« Ref 26 Ref 29
Übertragen auf die Schule bedeutet das: Schuld an schlechten Schülern haben die Lehrer. Ein Lehrer beklagt sich zwar über die fehlende Motivation der Schüler. Aber er selbst kann
natürlich nicht entlassen werden, obwohl auch er häufig in seinem Lehrerzimmer sitzt und dort vergeblich versucht, Probleme zu lösen, die er überhaupt nicht begreift. Doch auch eine Schule können Sie nur mit Leadership führen. Ein Lehrer, der achtlos weggeworfene Plastikflaschen auf dem Schulflur entdeckt, staucht die Schüler zusammen. Ein Leader hebt die Flaschen auf, bringt sie zur Pfandrückgabe und fragt die Schüler, was geschehen müsse, damit so etwas nicht wieder vorkommt.
Alles steht und fällt mit einem guten Führungsstil. Besser kann man Respekt nicht vorleben. Solch eine Führung vermittelt den Schülern, dass Schule kein Selbstbedienungsladen ist, sondern erst dann zu einem respektablen Ort wird, wenn sich alle wie »Ladies and Gentlemen« benehmen. Dann werden Heranwachsende ihre Schule auch nicht mehr als einen Ort der Kränkung erleben, sondern als einen Lebensraum, in dem ihnen die dienstleistenden Lehrer vermitteln: Hier bist du König. Und hier machst du Schule!
Wer will, dass sein Sohn Respekt vor ihm und seinen
Anweisungen hat, muss selbst große Achtung
vor seinem Sohn haben.
(John Locke)
Das Recht auf Individualität und eine eigene Meinung
»Jede Jeck es anders.« Oder: »Jet jeck simmer all.« Gerade die kölsche Mentalität kommuniziert eine vorbildliche tolerante Haltung. Jedes Wort aus der sehr bodenständigen, liebevollen »kölschen Sproch« vermittelt große Herzlichkeit und das Wissen um die eigene
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