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Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen

Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen

Titel: Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina L'Habitant
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Unvollkommenheit. Kritiker verwechseln gern Toleranz mit Ignoranz und unterstellen, der tolerante
Mensch habe nur keine Lust, sich auf Verbindlichkeiten einzulassen. Das Zulassen anderer Marotten diene vor allem der eigenen Bequemlichkeit. Das sehe ich anders: Denn mit welchem Recht mag sich jemand anmaßen, andere Meinungen zu bewerten, herunterzuspielen oder gar andersdenkende Menschen auszugrenzen? Anderen Menschen ihre Eigenarten zu lassen, auf ihre Vorzüge zu blicken oder gar durch sie zu neuen Sichtweisen zu gelangen ist eine große Herausforderung an die eigene Geduld und Courage.
    Viel einfacher dagegen ist es doch, Andersartigkeit zu verurteilen. Das verhindert, sich selbst hinterfragen zu müssen. Wenn einem ein Mensch befremdlich erscheint, gleicht das nämlich einem Blick in den Spiegel: Die Andersartigkeit fordert uns dazu heraus, das, was einem da entgegenschaut, wirklich zu sehen. Die Ablehnung von Ungewohntem ist somit die Absage an sich selbst, seine eigenen »blinden Flecken« bearbeiten zu wollen. Wer mit sich selbst im Reinen ist, kann gut mit Andersartigkeit leben.
    Sich so zu verhalten, dass dem Gegenüber der Gesichtsverlust erspart bleibt, entspricht nicht gerade der deutschen Mentalität. Wie schnell wir in unserem Kulturkreis befremdliches, nicht gruppenkonformes Verhalten verurteilen und wie pietätvoll und einfühlsam beispielsweise Asiaten die Würde jedes Menschen achten, schildert folgendes Ereignis auf einer psychologischen Fachtagung.
    PRAXISBEISPIEL ______________________________________
    Ein Professor aus Peking referiert über östliche und westliche Philosophien. Er arbeitet die Unterschiede im Denken beider Kulturen heraus, erklärt, dass im östlichen Medizinverständnis der Körper und der Geist eine Einheit bilden, die erst im ausgewogenen Verhältnis von Yin und Yang dem Menschen vollkommene
Gesundheit bescheren. Ein Mensch wird in der asiatischen Medizin immer in seiner Gesamtheit behandelt. Während des Vortrags meldet sich auf einmal eine Frau, die vom Verhalten und Aussehen eher dem Stereotyp der Ökofrau entspricht und damit aus der Gruppe der erfolgreichen Selfmade-People heraussticht. Sie sitzt in der 12. Reihe im Mittelgang und bittet den auf einem Stuhl sitzenden Referenten, er möge sich doch beim Sprechen zum besseren Verständnis für alle hinstellen. Ihr Wunsch sorgt bei den Teilnehmern für irritierte Blicke, Unverständnis und abwertendes Augenrollen. Inkompetente »spaßige« Lösungsvorschläge lassen auch nicht lange auf sich warten. Als die Frau jedoch weiter auf ihrem Recht für optimale Vortragsleistung insistiert, antwortet ihr der Referent, er sitze immer beim Reden, die ersten Reihen seien frei, sie brauche nur nach vorn zu kommen, das würde ihr Problem unmittelbar lösen. Die Atmosphäre ist mittlerweile aufgeladen. Die meisten im Publikum haben bereits ihre Sympathien verteilt, als die Frau in der ersten Reihe Platz nimmt. Und dann geschieht das Unerwartete, für die meisten auch irgendwie Beschämende, hält es doch allen indirekt den Spiegel vor die eigene Nase: Kurz nachdem die Frau ihren neuen Platz eingenommen hat, gesellt sich ein weiterer Mensch zu ihr in die erste Reihe, und eine weitere Minute später ein zweiter. Beide sind Asiaten.
    Andersartigkeit bedeutet, dass jeder individuell sein darf. Erlauben wir den Schülern ihre Eigenarten. Nur so können auch wir selbst uns weiterentwickeln. Denn wer den Umgang mit Andersartigkeit lernt, schult seine soziale Kompetenz, lernt Selbstreflexion und erweitert seinen Horizont. Das größte Hemmnis für Kreativität und Ideenfindung sind Gruppen, die nur nach Regeln von Konformität und Bewertungsrichtlinien
agieren. Dabei spielt unser Schulsystem an erster Front mit. Es ist ein immerwährendes Thema, wie viel Individualität Gruppenstrukturen erlauben. Andererseits kann Individualität ohne Sozialität nicht gelingen, denn der Mensch ist und bleibt ein soziales Wesen, das die anderen Menschen für seine Wachstumsprozesse braucht. Doch er wächst erst dann über sich selbst hinaus, wenn er lernen kann, Barrieren zu überwinden, und nicht, ihnen auszuweichen. Da ist jede Andersartigkeit ein hervorragendes Training, persönlich zu reifen. Wenn Lehrer diese Akzeptanz vorleben und Individualität respektieren, dann vermitteln sie ihren Schülern: Du bist richtig so, wie du bist – und der Mensch neben dir auch. Du machst Schule!
    Das Recht auf Frieden und Sicherheit
    Menschen können sich nur

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