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Du musst die Wahrheit sagen

Titel: Du musst die Wahrheit sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mats Wahl
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reden gab über die Bezahlung.
    »Darf ich Ihren Rasenmäher leihen? Unserer ist kaputtgegangen.«
    »Benutz ihn, solange du willst. Der braucht viel Öl, dann läuft er am besten.«

    8

    Als ich mit Bergers Rasenmäher in unseren Garten kam, deckten Mama und Annie gerade den Esstisch unter der großen Eiche. Mama hatte eine rot karierte Decke aufgelegt. Mitten auf dem Tisch stand eine Schüssel mit Salat und Tomaten und auf der einen Schmalseite die Gläser und das Porzellan, das wir von Großmutter geerbt hatten. Die Teller waren gestapelt, die Gläser standen in einer Gruppe zusammen, und die Bestecke lagen quer auf dem obersten Teller.
    »Du kommst genau richtig!«, rief Mama. »Wir können gleich essen.«
    »Ich will erst baden.«
    Ich ging zum Steg hinunter, machte das Boot los, ruderte einige hundert Meter hinaus, zog meine Shorts aus und sprang von der Achterducht ins Wasser. Es war so warm, dass es kaum erfrischte, aber ich schwamm um das Boot herum und versuchte, nicht an die brennenden Schürfwunden an meinen Fersen und besonders an meinen Händen zu denken.
    Dann hievte ich mich wieder ins Boot, blieb eine Weile sitzen und ließ mich trocknen, zog die Shorts an und ruderte zurück an Land.
    Wir aßen Salat und rote Bohnen. Mama hatte Knoblauchwürste gebraten, und ich aß alles auf, was sie mir auf den Teller legte. Sie sah sehr zufrieden aus, als wäre es ein Vergnügen zuzusehen, wie ich mich vollstopfte.
    Als wir mit dem Essen fertig waren und Annie aufgehört hatte, von ihren neuen Schulkameraden zu reden, die sie noch nicht getroffen, mit denen sie aber den ganzen Vormittag E-Mails ausgetauscht hatte, lehnte Mama sich zurück und machte ein spitzbübisches Gesicht.
    »Samstag kommt Dick. Ich kaufe schwedische Krebse.«
    »Mama!«, sagten Annie und ich fast im Chor.
    Sie guckte uns verständnislos an.
    »Was ist?«
    »Nicht schon wieder!«, stöhnte Annie.
    »Du weißt doch, was dabei rauskommt«, ergänzte ich.
    Mama lachte.
    »Man muss auch mal ein bisschen Spaß haben.«
    »Für uns ist das nie spaßig«, behauptete Annie. »Und von hier will ich nicht mehr weg.«
    »Ihr sollt doch auch nicht von hier wegziehen!« Mamas Stimme klang beleidigt.
    Dann sah sie mich an.
    »Ich habe Pflaster mitgebracht.«
    »Danke«, sagte ich.
    »Mama!«, stöhnte Annie wieder.
    »Ich hab beim Nachbarn den Rasen gemäht«, sagt ich. »Er ist Deutscher. Er hat im Krieg drei Finger verloren.«
    Annie sah mäßig interessiert aus, fragte aber trotzdem: »In welchem Krieg?«
    »Im Zweiten Weltkrieg. Er war Jagdpilot.«
    »Dann könntest du unsere Wiese vielleicht auch fertig mähen?«, sagte Mama. »Samstag muss sie richtig schön sein.«
    »Mach ich«, antwortete ich. »Ich will vorher nur ein bisschen Rad fahren.«
    »Wo willst du hin?«, fragte Annie.
    »Mich ein wenig umsehen.«
    Und dann stand ich auf, bedankte mich für das Essen und ging ins Haus.
    »Weißt du, wo Morgan ist?«, rief Mama mir nach. Aber ich antwortete nicht.
    Ich rannte die Treppe hinauf. In meinem Zimmer holte ich die Tasche mit dem Reißverschluss, in der ich in Sundsvall meine Badesachen transportiert hatte, wenn ich zum Training fuhr. In der Tasche lag der kleine Silberpokal, den ich im Frühling als Zweiter beim Schulschwimmen gewonnen hatte. Wenn Morgan den Pokal bekommen hätte, hätte er ihn zu den anderen Pokalen ins Regal gestellt, die er bei verschiedenen Sportwettkämpfen gewonnen hatte.
    Dann zog ich die Winterjacke und die Handschuhe an, ging zu der Schlange und öffnete langsam und vorsichtig die Schublade.
    Die Schlange hatte die Tasse umgekippt und sich darum geringelt. Sie sah halb tot aus und hatte kaum Kraft, mit ihrer gespaltenen Zunge zu züngeln. Sie schien aufgegeben zu haben.Mir kam es fast vor, als wären die Zickzackstreifen auf ihrem Rücken verblasst.
    »Komm, Junge«, sagte ich. »Jetzt wollen wir ein bisschen Rad fahren.«
    Dann zog ich die Schublade ganz heraus, die Schlange rührte sich kaum, und ich ließ die ganzen siebzig Zentimeter Kreuzotter in meine Sporttasche gleiten. In dem Moment kam Leben in das Tier. Es wollte hinaus, aber ich zog schnell den Reißverschluss zu und hob die Tasche am Henkel hoch. Ich spürte, wie sich die Schlange darin bewegte, und meinte sie sogar zischen zu hören.
    Unten an der Treppe begegnete ich Annie, die mit einem Tablett voller Geschirr und Bestecke aus dem Garten kam.
    »Wohin willst du?«
    »Nur mal um den See rum«, log ich. »Hab ein Handtuch mitgenommen, falls ich einen

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