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Du musst die Wahrheit sagen

Titel: Du musst die Wahrheit sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mats Wahl
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Keller war voller Spinnen. Ich zog Shorts an und wollte in meine Schuhe schlüpfen, aber die scheuerten an den Schürfwunden.
    Also ging ich barfuß in den Flur. Die Tür zu Annies Zimmer war geschlossen. Ich ging runter in die Küche. Dort begrüßte ich die Katze. Ihre Pfote war fast genauso dick wie ihr Kopf. Mama hatte die Decke, auf die die Katze gekotzt hatte, gegen ein blaues Handtuch ausgetauscht. Die Katze lag mit halb geschlossenen Augen auf der Seite und keuchte.
    Ich nahm einen Joghurt aus dem Kühlschrank und aß eine Schale mit Cornflakes, dann ging ich nach draußen, wo es genauso warm war wie gestern. Mamas Auto war weg, und ich ging in den Keller. Von der Veranda hörte ich das Aufprallen von Morgans Ball.
    Im Keller war es kühl. Ich fand einige Spinnen, die sich in der Ecke neben dem Heizkessel Netze, so groß wie Handtücher, gesponnen hatten. Ich blieb stehen, betrachtete sie und versuchte zu begreifen, wie sie es schafften, so schöne Netze zu weben. Das konnte ich natürlich unmöglich verstehen, aber ich blieb lange stehen und dachte nach. Der grün gestrichene Zementboden war kalt, und nach einer Weile fing ich an zu frieren. Vielleicht sollte ich die Schlange lieber mit Fliegen füttern? Fliegen stellten nicht so etwas Schönes her wie Spinnen, und welchen Sinn Fliegen haben, ist mir sowieso schleierhaft. Fliegen sind wie Morgan. Es ist unmöglich zu verstehen, warum es Fliegen und Morgan gibt. Ich beschloss, auf das Frühstück der Schlange zu pfeifen.
    Als ich wieder in die Sonne kam, saß Morgan auf der Treppe und schnürte seine Laufschuhe.
    »Willst du mit?«
    »Wohin?«
    »Trimmpfad. Zehn Kilometer.«
    »Nein.«
    Er sah mich auf diese abschätzige Art an, wie er das häufig tut.
    »Du hast den idealen Laufbody.«
    »Ich weiß.«
    Er sah noch abschätziger aus.
    »Aber aus dir wird nie was, wenn du nicht trainierst.«
    Er stand auf, machte einige Stretchübungen und lief zur Pforte hinaus.
    Ich ging hinter das Haus und nahm die Handschuhe, die, nass vom Nachttau, auf dem Rasenmäher lagen. Dann holte ich die Sense und den Rechen und ging zu Berger.
    Seine Treppe lag noch im Schatten. Neben der Treppe stand der Tisch, auf dem er eine Teetasse abgesetzt hatte, ein mit Blumen gemustertes Ding, groß wie ein Nachttopf, mit einem Sprung. Neben der Tasse lag ein Buch, aus dem viele Papierschnipsel ragten. »Die schönsten Gedichte von Rainer Maria Rilke«.
    Der Alte war nicht zu sehen, aber die Haustür stand offen, die Klinke war mit einer Schnur am Treppengeländer festgebunden. Ich stellte den Rechen ab und begann mit der Sense zu arbeiten.
    Sie war stumpf geworden, und das Gras fiel nicht mehr so locker. Ich arbeitete mich bis zu den Weiden hinunter. Die Luft war feucht, über dem See hing ein Dunstschleier.
    Als ich den See erreichte, taten mir die Hände ziemlich weh, aber ich versuchte es zu ignorieren. Ich drehte um und arbeitete mich wieder zum Haus hinauf. Der Schweiß rann mir die Arme und den Rücken entlang, dauernd tropfte er mir in die Augen.
    Als ich auf gleicher Höhe mit der Treppe war, hörte ich die Toilettenspülung im Haus. Ich machte weiter in Richtung Hängebirke und Pforte, und als ich umkehrte, war der Alte auf die Treppe hinausgetreten. Er trug dieselben Klamotten wie gesternund winkte mir mit dem Stock zu. Ich hielt inne und winkte zurück.
    »Guten Morgen, Tom!«, krächzte er, als ich vor ihm angekommen war. »Du bist ein zuverlässiger Kerl, sehe ich.«
    »Die Sense wird stumpf«, jammerte ich.
    »Ich habe einen Wetzstein und zwei Sensen, eine alte mit einem Holzstiel und eine neue. Sie hängen im Keller.«
    Also ging ich in seinen Keller, der unverschlossen war. An der hinteren Schmalwand war eine Treppe, die vermutlich ins Haus hinaufführte. So eine Treppe gibt es bei uns nicht.
    Der Keller war verstaubt, aber aufgeräumt, die beiden Sensen hingen zusammen mit einem Spaten, einer Schaufel, drei Rechen und verschiedenen Hacken an einer Wand. Dort hing auch der Wetzstein. Ich trug die Sensen und den Wetzstein nach oben und legte ihn in eine Gabelung des Apfelbaumes, an dessen Stamm ich die Sense mit dem Holzstiel lehnte.
    Die neue Sense des Alten war scharf und schien fast unbenutzt zu sein.
    »Möchtest du nicht baden?«, fragte er, als ich zum dritten Mal an der Treppe vorbeikam.
    Ich sagte, das wollte ich erst, wenn ich fertig wäre. Er nickte und setzte sich mit dem Buch und der Teetasse an den Tisch.
    Als ich mit dem Grundstück fertig war, stellte ich die

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