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Du musst die Wahrheit sagen

Titel: Du musst die Wahrheit sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mats Wahl
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und zog die Decke über den Kopf. Auf der anderen Seite der Wand hörte ich Morgan schnarchen. Ich versuchte wieder einzuschlafen, aber es gelang mir nicht, also stand ich auf. Als ich auf der Bettkante saß, bemerkte ich, dass die Tür zur Abseite angelehnt war. In dem Augenblick fiel mir ein, was Berger von dem Fotoalbum erzählt hatte. Ich ging zu der Kommode und zog die Schublade auf.
    Das Album, dem ich keine Beachtung geschenkt hatte, als ich die Kommode entdeckte, enthielt dreiundzwanzig Bilder. Das vierundzwanzigste hatte auf der ersten Albumseite geklebt, aber die Seite war leer. Es waren nur noch Reste vom Klebstoff darauf. Das Foto war abgefallen oder herausgenommen worden. Die anderen dreiundzwanzig Schwarz-weiß-Fotos zeigten ein einziges Motiv, ein schlafendes Kind in einem Kinderwagen. Das Kind hatte runde Backen und trug eine tief in die Stirn gezogene Mütze.
    Mama als Baby.
    Und dann fiel mir ein, was ich Berger versprochen hatte. Ich konnte gar nicht mehr verstehen, wie ich etwas Derartiges hatte versprechen können. Ich meine, wer möchte seiner Mutter erzählen, wer ihr Vater ist? Ich nicht! Annie vielleicht. Frauen haben eine andere Art der Kommunikation, sie können einander Sachen erzählen, ohne dass sie sich dabei dämlich vorkommen.
    Aber ich?
    Niemals!
    Ich legte das Album zurück in die Schublade und kroch wieder ins Bett.
    Ich hörte Mama im Badezimmer. Jetzt fehlte nur noch, dass Dick grinsend bei einer Tasse Kaffee am Küchentisch saß. Ichwusste, dass ich ihn an einem Tag wie diesem nicht ertragen würde.
    Der Wind trieb den Regen gegen mein Fenster, und durch die offen stehende Fensterhälfte regnete es herein.
    Van Gogh sah begeistert aus. Der mag schlechtes Wetter. Ihm geht es gut, wenn andere heulen und jammern. Van Gogh beklagt sich nie. Er hat nur noch ein Ohr. Das kann er sich jeden Moment auch noch abschneiden. Er weiß das, sein Bruder weiß das, alle wissen das. Jeder weiß, wozu van Gogh fähig ist, denn er hat es schon einmal getan, und wenn man es einmal getan hat, kann man es wieder tun. Van Gogh ist ein Anhänger von drastischen Lösungen, er fackelt nicht lange.
    Ich schaltete den Laptop an, um mir Maureen noch einmal anzugucken. Sie war noch genauso hübsch wie gestern. Nach einer Weile schaltete ich wieder aus, holte meine Badehose, zog sie an und ging nach unten. Ich hörte Mama in der Küche. Im Radio wurde der Gottesdienst übertragen. Seit wann interessierte sie sich für den Gottesdienst? Sie ist doch nicht religiös! Sie geht nie in die Kirche. Jetzt hörte sie sich den Gottesdienst an, und schlimmstenfalls saß Dick in unserer Küche. Womöglich war er religiös? Unvorstellbar, einen religiösen Bullen ins Haus zu kriegen! Großmutter war sehr gläubig.
    Ich ging nach draußen in den Regen, der in den Eichenblättern rauschte. Mich fror ein wenig, aber ich stellte mir vor, wie schön es im Wasser sein würde. Also ging ich zum Boot, löste es und ruderte so weit hinaus, bis der Seerosengürtel hinter mir lag. Dann sprang ich vom Achterdeck ins Wasser.
    Der See schien noch wärmer zu sein als gestern, fast lauwarm. Ich schwamm ein ganzes Stück und versuchte, wie Johnny Weissmüller zu kraulen. Das ging ziemlich gut, fühlte sich aber komisch an. Ich schwamm auf die Weiden an Bergers Ufer zu. Windböen erfassten das Boot und trieben es wieder indie Seerosen. Ich schwamm zurück, zog mich an Bord und ruderte zum Steg.
    Als ich in die Küche kam, tropfte immer noch Wasser aus meinem Haar. Mama trug ihren aprikosenfarbenen Morgenrock. Dick war nicht zu sehen, aber vorsichtshalber fragte ich.
    »Wo ist Dick?«
    Mama sah mich erstaunt an und stellte das Radio leiser.
    »Du hast doch wohl nicht gedacht, er würde über Nacht bleiben?«
    »Man kann nie wissen«, behauptete ich. »Ist ja schließlich schon vorgekommen.«
    Mamas Stimme klang beleidigt.
    »Was ist schon vorgekommen?«
    »Kerle in der Küche. Das ist schon vorgekommen.«
    »Aber nicht oft«, behauptete Mama.
    »Oft genug«, sagte ich und ließ Wasser in den Elektrokocher laufen.
    »Willst du dich nicht erst abtrocknen?«, schlug Mama vor.
    »Du hast mir noch kein Geld für das Rasenmähen gegeben«, sagte ich und ging zum Kühlschrank.
    »Bringst du bitte den Rasenmäher wieder nach unten?«
    »Das kann ja Morgan machen. Außerdem brauchen wir Mückennetze. Die Mücken fressen mich nachts fast auf.«
    »Ich werde welche kaufen, aber bring doch bitte den Rasenmäher in den Keller. Es ist nicht gut, wenn er

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