Du oder der Rest der Welt
das eine Rolle?«, fragt sie.
Es ist klar, dass meine Familie sich das nicht leisten kann. Ich drehe Brittany und dem Handy den Rücken zu. »Ich brauch es nicht«, sage ich zu ihr. »Spar dir dein Geld.«
Ein paar Stunden später quetschen wir drei uns in Brittanys BMW. Ich hätte wissen sollen, dass Brittany sich dieses kleine Abenteuer, mich beim Haus des Professors abzuliefern, nicht entgehen lassen würde. Wahrscheinlich, um sicherzugehen, dass sie und mein Bruder mich wirklich los sind.
Alex biegt auf eine der kurvigen Straßen, die in die Berge führen. Als ich mir die großen Häuser rechts und links der Straße angucke, ist mir klar, dass wir im reichen Teil der Stadt angekommen sind. Arme Leute stellen keine Schilder in den Garten, auf denen steht: Kein Durchgang, Privatweg, Privatbesitz, Dieses Grundstück wird kameraüberwacht. Ich muss es wissen, schließlich bin ich mein ganzes Leben lang arm gewesen, und der einzige Mensch, den ich kenne, der ein solches Schild aufgestellt hat, ist mein Freund Pedro, und der hat es aus dem Garten eines reichen Typen gestohlen.
Wir biegen in eine gepflasterte Zufahrt, die zu einem zweistöckigen Haus führt, das direkt in den Berg gebaut zu sein scheint. Ich setze mich auf und betrachte meine Umgebung. Ich habe noch nie in einem Haus gelebt, wo man nicht mit Leichtigkeit einen Stein ans Fenster der Nachbarn hätte werfen können.
Man sollte meinen, die Vorstellung, in so einer Prachtbude zu leben, ließe mich völlig aus dem Häuschen geraten. Aber es erinnert mich nur daran, wie fehl am Platz ich hier bin. Ich bin kein Idiot. Mir ist klar, sobald ich hier wieder ausziehe, werde ich genauso arm sein wie vorher oder im Knast landen. Dieser Ort ist wie die nie zu erreichende Wurst an der Angel, und ich kann es kaum abwarten, von hier zu verschwinden.
Wir haben kaum geparkt, da kommt Westford aus dem Haus. Er ist ein großer Kerl mit grauem Haar und vielen Falten um die Augen, fast so, als habe er über die Jahre zu viel gelacht, und seine Haut rebelliere dagegen.
Bevor ich aus dem Auto steigen kann, kommen drei weitere Leute aus dem Haus. Es ist wie eine verdammte Parade weißer Leute, von denen einer weißer ist als der andere.
Als Kiara rauskommmt, ist es eine Erleichterung, ein vertrautes Gesicht zu sehen, aber gleichzeitig nervt es mich kolossal. Der Morgen, der damit begann, dass ich ihren Spind manipuliert habe, endete damit, dass ich in Handschellen abgeführt und in eine Zelle geworfen wurde. Aus meinem spaßigen Leben wurde innerhalb von Stunden gequirlte Kacke.
Kiara hat ihr hellbraunes Haar im Nacken zusammengebunden und trägt Jeansshorts und ein weites kotzgrünes T-Shirt. Sie hat sich nicht für meine Ankunft rausgeputzt, so viel steht fest. Sie hat sogar Spuren von braunem Dreck oder Fett auf ihrer Backe und an ihren Händen.
Neben Kiara steht ihr Bruder. Er muss ein Unfall oder ein Nachzügler sein, denn er sieht aus, als gehe er noch in den Kindergarten. Der Zwerg hat sich total eingesaut. Er hat überall Schokolade im Gesicht.
»Das ist meine Frau, Colleen«, sagt der Professor und deutet auf die dünne Frau neben sich. »Und das hier ist mein Sohn, Brandon. Meine Tochter Kiara kennst du ja schon.«
Der Professor und seine Frau tragen zueinander passende weiße Golfhemden. Ich sehe sie vor mir, wie sie am Wochenende in einem schicken Club Golf spielen. Brandon könnte in einem Film oder einem Werbespot mitspielen. Er platzt dermaßen vor nervtötender Energie, dass man in Versuchung gerät, ihm Ritalin einzuflößen, um ihn ruhigzustellen.
Während Brittany und Alex das Händeschüttelprogramm mit dem Professor, seiner Frau und seinen Kinder absolvieren, kommt Kiara näher.
»Bist du okay?«, fragt sie so leise, dass ich sie kaum verstehe.
»Mir geht’s gut«, murmle ich. Ich möchte nicht darüber reden, wie ich verhaftet und im Polizeiwagen in den Knast chauffiert worden bin.
Verdammt, das hier ist unangenehm. Der kleine Junge, Brandon, zieht an meinem Hosenbein. Er hat geschmolzene Schokolade an seinen Fingern. »Spielst du Fußball?«
»Nein.« Ich gucke zu Alex, dem nicht aufzufallen scheint oder dem es egal ist, dass der Zwerg meine Jeans vollsaut.
Mrs Westford lächelt, als sie Brandon von mir wegzieht. »Carlos, warum nimmst du dir nicht ein paar Minuten, um anzukommen, und triffst uns dann zum Mittagessen im Garten. Dick, bring Carlos nach oben und zeig ihm alles.«
Dick? Ich schüttle den Kopf. Der Professor hat kein Problem
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