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Du oder der Rest der Welt

Du oder der Rest der Welt

Titel: Du oder der Rest der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Elkeles
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dem Haus scheucht, damit er den Bus auch ja kriegt, mache ich Rühreier für Carlos.
    Ich höre, wie er die Stufen runterkommt, bevor ich ihn sehe. Er trägt eine dunkelblaue Jeans, die Löcher an den Knien hat, und ein schwarzes T-Shirt, das abgetragen und verwaschen aussieht. Aber ich kann mir vorstellen, dass es total weich und bequem ist.
    »Hier«, brumme ich und stelle Eier und Toast für ihn auf den Tisch und dazu ein Glas mit frisch gepresstem Orangensaft.
    » Gracias .« Er setzt sich langsam. Offenbar überrascht es ihn, dass ich ihm Frühstück gemacht habe.
    Während er isst, räume ich die Spülmaschine ein und lenke mich damit ab, die Lunchpakete aus dem Kühlschrank zu holen, die meine Mutter für uns gemacht hat. Als mein Dad ein paar Minuten später wieder reinkommt, hat er Alex dabei.
    »Morgen, Bruderherz«, sagt Alex und setzt sich neben Carlos. »Bereit für deine Anhörung?«
    »Nein.«
    Ich schnappe mir meine Autoschlüssel und meinen Rucksack, damit sie ungestört sind. Während ich zur Schule fahre, frage ich mich, ob ich als Puffer hätte bleiben sollen. Denn drei Typen auf einmal können eine explosive Mischung sein, besonders dann, wenn zwei von ihnen extrem willensstarke Fuentes-Brüder sind. Und erst recht, wenn einer von ihnen gezwungen werden soll, nach der Schule an einem Resozialisierungsprogramm für jugendliche Straftäter teilzunehmen. Ich bin überzeugt, wenn sie Carlos davon erzählen, wird er ausrasten.
    Mein armer Vater hat nicht den Hauch einer Chance.

19
     

Carlos
     
    »Also, was machst du hier?«, frage ich meinen Bruder noch mal.
    Ich gucke zu Westford, der eine Tasse Kaffee in der Hand hält. Irgendwas ist hier im Busch.
    »Alex wollte dabei sein, wenn wir besprechen, was dich heute erwartet. Wir werden den Richter bitten, dich in meine Obhut zu geben. Im Austausch wirst du kooperieren und jeden Tag nach dem Unterricht an einem speziellen Programm teilnehmen.«
    Ich gucke auf mein Essen, das ich erst zur Hälfte aufgegessen habe, und werfe meine Gabel hin. »Ich dachte, wir würden einfach zum Gericht fahren, und Ihnen würde das Sorgerecht übertragen werden. Jetzt fühlt es sich an, als würde man mir jeden Moment eine Augenbinde verpassen und meine letzte Zigarette in den Mund stecken.«
    »Es ist keine große Sache«, meint Alex. »Es nennt sich REACH.«
    Westford, der mir gegenübersitzt, sagt: »Es ist ein Programm, das speziell für risikogefährdete Jugendliche entwickelt wurde. «
    Ich sehe Alex fragend an, damit er mir das Ganze noch mal in verständlichen Worten erklärt.
    Alex räuspert sich. »Es ist für Jugendliche, die in Konflikt mit dem Gesetz geraten sind, Carlos. Du gehst nach der Schule da hin. Jeden Tag«, erklärt er mir.
    Wollen die zwei mich verarschen? »Ich habe doch schon gesagt, dass die Drogen mir gar nicht gehören.«
    Westford stellt seine Tasse auf dem Tisch ab. »Dann verrat mir, wem sie in Wahrheit gehören.«
    »Ich kann Ihnen keine Namen geben.«
    »Versuch’s noch mal«, sagt Westford.
    »Es ist ein Schweigegelübde«, sagt Alex.
    Westford kapiert nicht. »Ein Schweigegelübde?«
    Alex hebt den Blick. »Das ist so bei den Guerreros del barrio «, sagt er. »Das Schweigegelübde schützt alle Bandenmitglieder. Er wird nicht reden, auch wenn er vielleicht weiß, wer dafür verantwortlich war.«
    Westford seufzt. »Ein Schweigegelübde hilft deinem Bruder nicht gerade, aber ich verstehe. Ich möchte es nicht verstehen, aber ich tue es. Das lässt uns keine andere Wahl, als den Richter zu bitten, Carlos in das REACH-Programm zu stecken. Es ist ein gutes Programm, Carlos, und es ist besser, als von der Schule geworfen zu werden oder im Jugendknast zu enden. Auf diese Weise kannst du deinen Highschool-Abschluss machen und wirst aufs College gehen können.«
    »Ich geh nicht aufs College.«
    »Und was willst du dann nach der Schule machen?«, fragt Westford. »Und sag nicht, Drogen verkaufen, denn das steht nicht zur Diskussion.«
    »Was wissen Sie schon, Dick ? Sie sitzen hier in Ihrer schicken Wohlstandshütte und essen Ihren Scheißbiofraß. Leben Sie erst mal einen Tag mein Leben, bevor Sie mir irgendwelche Vorträge halten. Bis dahin will ich nichts davon hören.«
    » Mi’amá möchte, dass wir es einmal besser haben als sie«, sagt Alex. »Tu es für sie.«
    »Was immer«, erwidere ich und stelle meinen Teller in die Spüle. Mir ist definitiv der Appetit vergangen. »Also dann, bringen wir diese Scheiße hinter uns.«
    Westford

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