Du oder der Rest der Welt
reimt. Ich werd’s deinen Eltern sagen.« Ich öffne den Mund, um zu petzen. Das würde ich natürlich nicht wirklich tun, aber der kleine diablo weiß das ja nicht.
»Bitte sag es ihnen nicht. Bitte.«
»Also gut. Ich lasse dich davonkommen. Dieses Mal jedenfalls. Siehst du, jetzt sind wir Komplizen.«
Er runzelt seine kleinen Brauen. »Ich weiß nicht, was das heißt.«
»Es heißt, wir verpetzen einander nicht.«
»Aber was ist, wenn du etwas Verbotenes machst?«
»Dann hältst du den Mund.«
»Und wenn ich etwas Verbotenes mache?«
»Dann halte ich den Mund.«
Er scheint eine Minute darüber nachzudenken. »Also was, wenn du siehst, wie ich alle Plätzchen aus der Speisekammer aufesse?«
»Ich werde kein Wort verraten.«
»Und wenn ich keine Lust habe, die Zähne zu putzen?«
Ich zucke mit den Achseln. »Meinetwegen kannst du mit Mundgeruch und Karies in die Schule gehen.«
Brandon grinst breit und streckt seine Hand aus. »Wir haben einen Deal, Dude.«
Dude? Als ich Brandon hinterhergucke, wie er in sein Zimmer trottet, frage ich mich, ob ich gerade den Zwerg überlistet habe oder er mich.
18
Kiara
Es ist also kein Geheimnis mehr, was Carlos im Bett anhat. Seine Boxershorts. Das ist alles. Ich musste den Blick abwenden, als ich ihm im Flur begegnet bin, weil ich ihn sonst hätte anstarren müssen. Er hat mehr Tattoos als nur die auf seinem Bizeps und seinem Unterarm. Er hat ein kleines auf der Brust, in der Form einer Schlange, und als ich den Blick gesenkt habe, konnte ich rote und schwarze Buchstaben am Hosenbund ausmachen. Obwohl ich zu gern wüsste, was sie bedeuten und woher er sie hat, werde ich den Teufel tun und ihn fragen.
Meine Mom hat das Haus vor über einer Stunde verlassen, um den Laden zu öffnen, ich bin heute dran mit Frühstückmachen. Mein Dad schlingt die Eier und den Toast runter, die ich gerade vor ihn hingestellt habe. Ich weiß, er erwartet Alex in ein paar Minuten und geht wahrscheinlich noch mal durch, was er und Alex Carlos heute Morgen sagen wollen.
Ich möchte auf keinen Fall hier sein, wenn das Gespräch beginnt, und habe beinah ein schlechtes Gewissen, dass ich Carlos gestern Abend provoziert habe. Das Letzte, was er jetzt braucht, ist eine weitere Person gegen sich.
»Dad«, sage ich, als ich mich neben ihn an den Frühstückstresen setze. »Was wirst du ihm gleich sagen?«
»Die Wahrheit. Dass ich hoffe, sie bestätigen die vorübergehende Vormundschaft durch mich und nehmen ihn in das REACH-Programm auf, anstatt ihn seine Zeit im Knast absitzen zu lassen.«
»Das wird ihm nicht gefallen.«
»Er hat gar keine Wahl.« Mein Dad tätschelt meine Hand. »Mach dir keine Sorgen, es wird alles gut.«
»Woher weißt du das?«, will ich wissen.
»Weil ich zum einen vermute, dass Carlos sich tief in seinem Innern danach sehnt, sein Leben in Ordnung zu bringen, und zum anderen darauf baue, dass der Richter möchte, dass die Kids zur Schule gehen. Um ehrlich zu sein, bin ich allerdings nicht ganz sicher, ob Carlos bereits realisiert hat, wie sehr er sich insgeheim wünscht, auf die Erfolgsspur zu wechseln. «
»Er benimmt sich unmöglich.«
»Damit versucht er nur, etwas anderes zu verdecken. Ich weiß, es wird auf jeden Fall eine Herausforderung.« Er legt den Kopf auf die Seite und sieht mich nachdenklich an. »Bist du sicher, dass es okay für dich ist, wenn er bei uns wohnt?«
Ich stelle mir vor, wie es wäre, wenn ich an Carlos’ Stelle wäre, und frage mich, ob jemand versuchen würde, mir zu helfen. Sind wir nicht deshalb auf der Welt? Um zu versuchen, sie zu einem besseren Ort zu machen? Es ist keine religiöse Sache, es geht um Menschlichkeit.
Wenn Carlos nicht hierbleiben kann, wer weiß, wo er dann endet. »Für mich ist es vollkommen in Ordnung, wenn er bei uns wohnt«, sage ich. »Echt.« Mein Dad, mit seinem psychologischen Hintergrund und seiner Engelsgeduld wird Carlos helfen können. Und meine Mom … wenn man ihre Macken mal beiseitelässt, ist sie einfach großartig.
»Brandon, wo ist Carlos?«, fragt mein Dad, als mein Bruder die Treppe hinuntergehüpft kommt.
»Ich weiß es nicht. Ich glaube, er steht unter der Dusche.«
»In Ordnung. Sieh zu, dass du was in den Magen bekommst. Dein Bus kommt in zehn Minuten.«
Als wir hören, wie oben das Wasser abgedreht wird, ist das das Signal für meinen Vater. Carlos wird gleich runterkommen. »Bran, hol deinen Rucksack. Der Bus wird jeden Moment hier sein.«
Während mein Dad Brandon aus
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