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Du oder der Rest der Welt

Du oder der Rest der Welt

Titel: Du oder der Rest der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Elkeles
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er hat die Hände zu Fäusten geballt. Er tritt den Ball, so fest es ein Sechsjähriger vermag, und grunzt sogar, als sein Fuß auf den Ball trifft. Der segelt durch die Luft.
    Carlos fliegt durch die Luft, um ihn zu fangen …
    Und verpasst ihn um wenige Zentimeter. Was die Sache noch besser macht, ist, dass Carlos fällt und auf den Rücken rollt, als er zu Boden geht.
    Ich habe noch nie so einen triumphierenden Ausdruck im Gesicht meines Bruders gesehen wie gerade. »Ich hab es geschafft! «, schreit er. »Ich hab es geschafft! Gleich beim ersten Versuch!« Er rennt zu mir und gibt mir high five, dann springt er auf Carlos’ Rücken. »Ich hab’s geschafft! Ich hab’s geschafft!«
    Carlos stöhnt. »Hast du noch nie gehört, dass man dem Verlierer den Sieg nicht noch unter die Nase reiben soll?«
    »Nein.« Brandon beugt sich über Carlos und ruft ihm ins Ohr: »Das bedeutet, dass du heute Abend G. I. Joe mit mir spielen darfst!«
    »Bekomme ich eine Revanche?«, fragt Carlos. »So was wie zwei von drei. Oder drei von fünf?«
    »Auf keinen Fall, José.«
    »Ich heiße Carlos, nicht José«, sagt Carlos, aber Brandon hört ihm gar nicht zu. Er rennt ins Haus, um meinen Eltern zu erzählen, dass er Carlos geschlagen hat.
    Carlos liegt immer noch auf dem Boden, als ich mich neben ihn knie. »Was willst du?«, fragt er.
    »Mich bedanken.«
    »Wofür?«
    »Dafür, dass du deinen Teil des Deals eingehalten hast und Brandon hast gewinnen lassen. Die meiste Zeit spielst du erfolgreich das Arschloch, aber du hast Potential.«
    »Wofür?«
    Ich zucke die Achseln. »Ein anständiger Mensch zu sein.«

27
     

Carlos
     
    Nach dem Abendessen krame ich das Handy hervor und rufe Luis und mi’amá an.
    » ¿Te estás ocupando de Mamá? «, frage ich meinen kleinen Bruder.
    » Sí . Ich passe auf sie auf.«
    Lautes Klopfen an meiner Tür erinnert mich, dass ich den Wettkampf am Nachmittag verloren habe. »Es ist G.-I.-Joe-Zeit, Carlos!«, schallt Brandons Stimme durch die Tür.
    » Quien es ése? «
    »Der kleine Junge, der hier lebt. Er erinnert mich manchmal an dich.«
    »Ist er so ein toller Kerl, hm?«, sagt Luis und lacht. »Wie geht es Alex?«
    » Alex es buena gente . Er ist wie immer.«
    »Ma hat gemeint, du hättest Ärger.«
    »Sí , aber alles wird gut.«
    »Das hoffe ich. Denn sie spart, um den Winter bei dir verbringen zu können. Wenn ich keinen Mist baue, darf ich auch mit. Podemos volver a ser familia, Carlos . Wäre das nicht irre?«
    Ja, es wäre schön, wenn wir wieder eine Familie sein könnten. Für Luis sind wir vier eine vollständige Familie – ich, Mamá , Alex und Luis. Unser papá ist gestorben, bevor Luis sprechen konnte. Ich möchte nie Kinder haben, weil ich auf keinen Fall eine Frau zurücklassen möchte, die darum kämpfen muss, die hungrigen Mäuler meiner Kinder zu stopfen. Und ich will nicht, dass meine Kinder glauben, die Familie sei komplett, ohne dass ich eine Rolle spiele.
    Klopf, klopf, klopf. Klopf, klopf, klopf . »Bist du da drin?«, ruft Brandon wieder, dieses Mal dringt seine Stimme unter meiner Zimmertür durch. Ich kann seine Lippen durch den winzigen Spalt zwischen Tür und Teppich ausmachen. Ich sollte die Tür ohne Vorwarnung öffnen und zusehen, wie der kleine diablo sich beeilt, auf die Füße zu springen.
    »Es wäre toll, wenn du und Mamá herkommen könntet. Déjame hablar con Mamá .«
    »Sie ist nicht zu Hause. Está trabajando – sie arbeitet.«
    Mein Herz zieht sich zusammen. Ich möchte nicht, dass sie arbeitet und sich für einen Hungerlohn versklavt. Als ich noch in Mexiko war, habe ich für die Familie gesorgt. Jetzt gehe ich zur Schule, während sie wie ein Hund schuftet. Es fühlt sich nicht richtig an.
    »Sag ihr, dass ich angerufen habe. ¡Que no se te olvide! «, mahne ich, da ich weiß, dass mein kleiner Bruder so beschäftigt ist, Spaß mit seinen Freunden zu haben, dass er wahrscheinlich vergessen wird, dass ich überhaupt angerufen habe.
    »Ich vergesse es nicht. Versprochen.«
    Wir legen auf, als Brandon wieder gegen die Tür zu donnern beginnt. »Hör auf, ich bekomm Kopfschmerzen davon«, sage ich, als ich die Tür öffne.
    Brandon springt schneller auf die Füße, als ich es je einen Menschen habe tun sehen. Falls sein Schwanken als Anzeichen dafür gelten kann, ist ihm gerade das Blut in den Kopf geschossen. Gut.
    »Brandon«, ruft Westford, der an uns vorbei geht. »Ich habe dir doch gesagt, du sollst Carlos nicht stören. Warum bist du nicht in

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