Du oder der Rest der Welt

deinem Zimmer und liest?«
    »Ich habe Carlos doch gar nicht gestört«, erwidert er unschuldig. »Er hat versprochen, G. I. Joe mit mir zu spielen. Stimmts, Carlos?« Er sieht zu mir hoch, seine leuchtend grünen Augen flehen mich praktisch an.
    »Das stimmt«, sage ich zu Westford. »Fünf Minuten G. I. Joe, dann bin ich fertig damit, den großen Bruder zu spielen.«
    »Zehn Minuten«, schießt Brandon zurück.
    »Drei«, sage ich wie aus der Pistole geschossen. Dieses Spiel können auch zwei spielen, Zwergnase.
    »Nein, nein, nein. Fünf gehen in Ordnung.«
    In seinem Zimmer angekommen, drückt er mir eine Puppe in die Hand. »Hier!«
    »Kid, ich hasse es, der Überbringer schlechter Nachrichten zu sein, aber ich spiele normalerweise nicht mit Puppen.«
    Er guckt mich gekränkt an und protestiert empört: »G. I. Joe ist keine Puppe. Er ist ein Marine, wie mein Daddy einer war.« Brandon holt lauter Miniaturplastiksoldaten aus einem Eimer und verteilt sie im Zimmer. Man könnte meinen, der Wicht verbreite ein zufälliges Chaos um sich, aber ich habe das Gefühl, dass dieser Wahnsinn Methode hat. »Hattest du einen G. I. Joe, als du klein warst?«
    Ich schüttle meinen Kopf. Ich kann mich nicht daran erinnern, besonders viele Spielsachen gehabt zu haben… wir haben vor allem mit Stöcken, Steinen und Fußbällen gespielt. Und die seltenen Male, die Alex sich in Mamás Kleiderschrank geschlichen hat, haben wir die verrücktesten Spiele mit Steinen in ihrer Strumpfhose erfunden. Ein paar Mal haben wir die Beine abgeschnitten und Schleudern daraus gebastelt. Ein anderes Mal haben wir sie mit Wasserballons gefüllt und uns damit geschlagen. Alex und ich haben von mi’amá für diese Zwischenfälle den Hintern ordentlich versohlt bekommen, aber das war uns egal. Es war den Ärger auf jeden Fall wert.
    »Also«, sagt Brandon und wird ernst. »Die Cobras sind die Bösen, die die Welt beherrschen wollen. Die G. I. Joes müssen sie schnappen. Kapiert?«
    »Ja. Lass uns endlich loslegen.«
    Brandon hebt eine Hand. »Warte, warte. Du kannst kein G. I. Joe sein, solange du keinen Codenamen hast. Was für einen Codenamen hättest du gern? Meiner ist Racer.«
    »Ich werde Guerrero sein.«
    Er legt den Kopf auf die Seite. »Was bedeutet das?«
    »Krieger.«
    Er nickt anerkennend. »Okay, Guerrero, unsere Mission ist, Dr. Winky zu kriegen.« Brandon sieht mich mit großen, runden Augen an. »Dr. Winky ist der fetteste, übelste, taffste Ganove auf der ganzen Welt. Schlimmer als der Cobra Commander. «
    »Können wir seinen Namen nicht in etwas ändern, das gefährlicher klingt? Sorry, aber Dr. Winky klingt überhaupt nicht taff.«
    »Oh, nein, du darfst den Namen nicht ändern. Auf keinen Fall.«
    »Warum nicht?«
    »Ich mag den Namen. Dr. Winky winkt die ganze Zeit.«
    Ich kann mir nicht helfen, der Junge amüsiert mich. »Also gut. Was hat Dr. W. so Schlimmes getan?«
    »Dr. Winky«, korrigiert Brandon mich. »Nicht Dr. W.«
    »Was immer.« Ich halte G. I. Joe hoch und sage zu dem Plastiktypen: »Joe, bist du bereit, Dr. W. fertigzumachen?« Ich drehe mich zu Brandon. »Joe sagt, er ist bereit.«
    Brandon richtet sich nach allen Seiten spähend auf, als sei er auf einer geheimen Mission. »Folge mir«, sagt er und kriecht quer durch den Raum. »Komm schon!«, flüstert er laut, als ihm auffällt, dass ich nicht hinter ihm bin.
    Ich krieche hinter ihm her, wobei ich so tue, als sei ich ein sechsjähriger Junge, der die Geduld hat, dieses Spiel zu spielen.
    Brandon legt eine Hand über mein Ohr und flüstert: »Ich glaube, Dr. Winky hat sich im Kleiderschrank versteckt. Ruf die Truppen.«
    Ich sehe die kleinen Plastiksoldaten an, die im ganzen Raum verteilt sind und sage: »Truppen, umzingelt den Kleiderschrank. «
    »Du kannst nicht G. I. Joe mit deiner eigenen Stimme sein. Du musst wie ein Marine klingen«, sagt Brandon, den meine Actionheld-Rollenspielfähigkeiten offenbar nicht sehr überzeugen.
    »Übertreib es besser nicht, oder ich verschwinde sofort«, sage ich.
    »Okay, okay. Geh nicht. Du darfst G. I. Joe mit deiner eigenen Stimme sein.«
    Brandon und ich positionieren die Spielsoldaten um den Kleiderschrank herum. Und da ich mich schon mal auf dieses Spielchen eingelassen habe, kann ich es genauso gut ein bisschen aufpeppen. »Joe hat mir gerade erzählt, er hat Informationen über Dr. Winky.«
    »Was ist es?«, fragt Brandon vollkommen fasziniert.
    Jetzt muss ich mir schleunigst etwas einfallen lassen. »Dr. Winky