Du oder der Rest der Welt
steuere den Wagen zurück auf die Straße. Zu Hause sehe ich Dad mit Brandon im Garten spielen.
»Wo habt ihr zwei euch rumgetrieben?«, fragt mein Vater.
» Kiara hat mich mit zum Wandern genommen«, sagt Carlos. »Stimmt’s, K.?«
»Ihr habt schon mal geübt?«, fragt mein Dad mich. Dann erklärt er Carlos: »Wir gehen nämlich immer mit der ganzen Familie campen.«
»Dick, ich wandere und campe nicht.«
»Aber er spielt Fußball.« Ich lege den Kopf auf die Seite und lächle. »Hast du mir nicht erzählt, du wolltest unbedingt mit Brandon spielen?«
»Das hätte ich fast vergessen«, sagt Carlos, und das großspurige Grinsen ist wie weggewischt.
»Das ist ja toll«, sagt mein Dad und klopft Carlos auf den Rücken. »Das bedeutet ihm so viel. Bran, bist du bereit für ein Match gegen Carlos?«
Wir gucken alle zu meinem Bruder, der sich beeilt, das Tor aufzubauen. »Super! Heute werde ich dich schlagen, Carlos!«
»Sei dir da mal nicht so sicher, muchacho .« Carlos kickt den Ball in die Luft und lässt ihn auf seinem Knie hüpfen wie ein Fußballprofi. Egal, was er behauptet hat, er hat jede Menge Spielerfahrung.
»Ich habe mit meinem Dad geübt«, verkündet Bran. »Ich bin bereit.«
Ob mit oder ohne Üben, mein kleiner Bruder hat keine Chance gegen Carlos, es sei denn, er lässt ihn absichtlich gewinnen. Ich kann es kaum erwarten, den Triumph auf dem Gesicht meines kleinen Bruders zu sehen, wenn er den Ball an Carlos vorbeisegeln lässt und ein Tor macht. Ich setze mich auf die Veranda und sehe ihnen beim Aufwärmen zu.
»Hast du keine Hausaufgaben zu machen oder so?«, fragt Carlos.
Ich schüttle den Kopf.
Er lässt nicht locker in diesem kleinen Spiel, wer von uns die Oberhand behalten wird. »Ich glaube, da drüben auf deiner Seite ist noch Unkraut, das du übersehen hast«, sagt er.
»Kiara, komm, spiel mit uns«, ruft Brandon.
»Sie hat zu tun«, wehrt Carlos ab.
Brandon guckt mich verwirrt an. »Sie sitzt doch nur dort und guckt uns zu. Wie kann sie da zu tun haben?«
Carlos hat sich den Ball unter den Arm gesteckt.
»Ich gucke nur zu«, sage ich.
»Komm schon«, sagt Brandon und rennt zu mir. Er nimmt meine Hand und zerrt an mir, bis ich aufstehe. »Spiel mit.«
»Vielleicht weiß sie ja nicht, wie es geht«, sagt Carlos zu meinem Bruder.
» Klar weiß sie das. Gib ihr den Ball.«
Carlos kickt mir den Ball zu. Ich lasse ihn auf meinen Knien hüpfen, dann köpfe ich ihn wieder zu ihm zurück. Der Junge sieht baff aus. Und beeindruckt. In einer raren Diva-Anwandlung klopfe ich mir den unsichtbaren Staub von den Schultern.
»Sieh an, sieh an, Kiara kann dribbeln«, sagt Carlos und stellt sich ins Tor. »Du hast mir was verheimlicht. Lass mal sehen, ob du ihn an mir vorbeibekommst.«
Als ich den Ball habe, trete ich ihn zu Brandon. Er kickt ihn zurück und ich schmettere ihn auf das Tor zu.
Okay, ich bin nicht wirklich überrascht, dass Carlos ihn mühelos hält. Aber jetzt klopft er sich den unsichtbaren Staub von den Schultern wie ich vorhin, und es tut mir leid, dass ich ihn nicht reingemacht habe. »Willst du eine zweite Chance?«, fragt er.
»Vielleicht ein andermal«, erwidere ich. Ich bin mir nicht sicher, ob ich damit den Beinahkuss meine oder Fußball.
Carlos’ Augenbrauen schießen nach oben, was mich vermuten lässt, dass er die Doppeldeutigkeit meiner Worte erkannt hat. »Ich freue mich schon auf die Herausforderung.«
»Jetzt bin ich dran!«, ruft Brandon.
Carlos stellt sich wieder ins Tor und beugt sich hochkonzentriert vor. »Du hast drei Versuche, aber sieh der Tatsache ins Auge, Brandon. Du bist einfach nicht gut genug.«
Wie aufs Stichwort schießt die Zunge meines Bruders aus seinem Mundwinkel. Er ist tief in Konzentrations-/Wettkampfmodus versunken. Ich bin mir sicher, wenn er erst mal älter ist, wird er Carlos alles abverlangen.
Mein Bruder legt den Ball ab und geht fünf Schritte zurück, jeden einzelnen zählend. Er kniet sich hin, als wäre er ein Golfer, der seinen Schlag abschätzt. Wird Carlos ihn gewinnen lassen? Er hat mir kein Zeichen gegeben, dass unser kleiner Deal noch gilt, und wirkt entschlossen, den Schuss meines Bruders zu halten.
»Gib auf, cachorro . Du kriegst ihn nie im Leben an mir vorbei, und danach wirst du mich den allmächtigen Meistertorwart nennen, den einzigen, den wahren … Carlos Fuentes!«
Seine Sticheleien heizen die wilde Entschlossenheit meines Bruders nur noch mehr an, seine Lippen sind fest aufeinandergepresst, und
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