Du oder der Rest der Welt
muss reine Verarsche sein, oder? »Wegen diesem pendejo Tuck?«
»Nein. Weil ich keinen Bock auf Madisons Reste habe.«
Halt. Un momento . Man hat mich schon vieles genannt, aber … »Du nennst mich einen Rest?«
»Hm. Abgesehen davon ist Tuck ein grandioser Küsser. Ich möchte nicht, dass du dich mies fühlst, weil du nicht mit ihm konkurrieren kannst.«
Der Typ hat ja kaum was zu bieten, das man Lippen nennen kann. »Woll’n wir wetten?«
Ich bin alles, aber kein Rest. Nachdem wir nach Mexiko gezogen waren und Destiny mit mir Schluss gemacht hatte, habe ich ein Mädchen nach dem anderen gehabt. Ich könnte ein verdammtes Buch darüber schreiben, wie man chicas küsst, wenn ich wollte.
Ich beuge mich zu Kiara und spüre eine leichte Befriedigung, als ich höre, wie ihr Atem stockt, und ich sehe, dass ihr Stift sich nicht länger bewegt. Sie sitzt da wie angegossen, als meine Lippen sich der Stelle direkt unter ihrem rechten Ohrläppchen nähern. Ich strecke die Hand aus und berühre mit dem Daumen die empfindliche Stelle unter ihrem linken Ohrläppchen, während meine Lippen über ihrem Nacken schweben. Sie spürt ohne Zweifel meinen heißen Atem auf ihrer nackten Haut.
Kiara neigt den Kopf kaum merklich, als wolle sie mir freien Zugang gewähren. Ich bin mir nicht mal sicher, ob sie merkt, was sie da tut. Ich bewege mich nicht. Ihr entschlüpft ein beinah lautloses Stöhnen, aber ich gehe nicht darauf ein. Sie kann nicht verhehlen, dass es sie anmacht. Sie steht darauf. Und sie will mehr davon. Aber ich halte mich zurück… Rest, von wegen.
Das Problem ist, ich bin nicht darauf vorbereitet, wie Kiara riecht. Normalerweise umgibt Mädchen dieser aufdringliche Blumen- oder Vanilleduft. Kiaras Duft dagegen hat das gewisse unwiderstehliche Aroma nach süßen Himbeeren, und das macht mich total an. Und obwohl mein Verstand mir sagt, dass ich nur mit ihr flirte, um etwas zu beweisen, will mein Körper »Du zeigst mir deins und ich zeig dir meins« spielen.
»M-m-macht es d-d-dir was aus?«, sagt sie. Sie versucht zu verbergen, was meine Nähe bei ihr auslöst, aber ihr Stottern verrät sie. »Ich versuche zu lernen und du sitzt mir in der Sonne«, flüstert sie. Ich schätze, wenn sie flüstert, muss sie nicht stottern.
»Wir sitzen unter einem Baum im Schatten«, sage ich, ziehe mich aber trotzdem zurück, weil ich etwas runterkommen und die Kontrolle wiedergewinnen will.
Ich lehne mich an einen Felsen, dessen raue Kanten sich in meine nackte Haut graben. Ich ziehe ein Bein an und setze mich in eine lässige Pose, obwohl ich alles andere als relaxt bin. Während ich es mir gemütlich mache, sitzt Kiara ruhig unter dem verdammten Baum und macht ihre Hausaufgaben. Sie schwitzt kein bisschen und scheint total entspannt zu sein. Ich weiß nicht, ob mir wegen dem, was gerade zwischen uns passiert beziehungsweise nicht passiert ist, so heiß ist. Oder ob es am Wetter liegt. Man sollte meinen, dass ich so heißes Wetter von Mexiko gewöhnt bin, aber ich wurde in Chicago geboren und habe den Großteil meines Lebens dort verbracht. Die Sommer dort sind schwül und heiß, dauern aber nur wenige Monate.
In meinem Inneren ist die Hölle los. Mein Herz schlägt wie verrückt, und in der Luft liegt eine prickelnde Energie, die nicht da war, bevor ich mich so nah zu ihr gebeugt habe.
Was geht hier vor? Die Höhenluft muss mir zu Kopf gestiegen sein. Ich muss schleunigst das Thema wechseln und die Unterhaltung von allem Sexuellen weglenken. »Also warum stotterst du?«, frage ich.
26
Kiara
Mein Stift schwebt über dem Blatt. Ich versuche, mich auf die Berechnung meiner Gleichungen zu konzentrieren, aber die Seite verschwimmt vor meinen Augen. Abgesehen von meinen Logopäden hat mich niemand je so geradeheraus gefragt, warum ich stottere. Die Frage trifft mich völlig unvorbereitet, vor allem, da ich ja gar nicht weiß, warum ich stottere. Es gehört zu mir, so wurde ich geboren, und so bin ich schon immer gewesen.
Bevor Carlos mich nach dem Stottern gefragt hat, habe ich an nichts anderes denken können als an unseren Beinahkuss. Sein heißer Atem hat meine Haut versengt und ein Feuer in meinem Inneren entfacht. Aber er hat nur mit mir gespielt. Ich weiß es und er weiß es. So sehr ich mich auch danach gesehnt habe, den Kopf zu drehen und herauszufinden, wie sich seine Lippen auf meinen anfühlen, so wenig wollte ich einen Narren aus mir machen.
Ich stopfe meine Sachen in den Rucksack, werfe ihn auf den
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