Du oder der Rest der Welt
so gut bewegt, wie sie Autos repariert. Und ob sie glaubt, Multikultipärchen seien zum Scheitern verurteilt, weil sie zu verschieden sind.
»Tanzt du?«
»Ein wenig. Und du? Ich meine abgesehen von Horizontaltango. «
Kiara überrascht mich manchmal. Ich bin jedes Mal geflasht, wenn sie etwas von ihrem inneren Feuer aufblitzen lässt. »Hm. In Mexiko sind ich und meine Freunde jedes Wochenende in irgendeinen Club gegangen. Wir haben getanzt, Mädchen getroffen, uns abgeschossen und Drogen genommen … das ganze spaßige Zeug. Jetzt bin ich hier und verbringe einen Familienabend mit den Westfords. Die Zeiten haben sich ganz schön geändert.«
»Du solltest keine Drogen nehmen.«
»Tu nichts, was du nicht solltest? Komm schon, Kiara, gib es zu. Du bist auf keinen Fall so unschuldig, wie du alle glauben lässt. Du bist genau wie der Rest von uns Sündern. Dann rauchst du eben nicht, trinkst nicht und nimmst keine Drogen. Aber du hast andere Laster. Jeder hat welche.« Als sie nichts erwidert, fahre ich fort: »Verrat mir etwas über dich, das mich schockieren würde.«
Sie lehnt sich zurück. »Dich schockieren?«
»Ja, schockier mich bis ins Mark.«
Sie setzt sich auf die Knie und beugt sich zu mir. »Ich denke an dich, Carlos«, flüstert sie in mein Ohr. »Nachts, im Bett. Ich stelle mir vor, wie ich dich küsse, unsere Zungen berühren sich, während du deine Hände in meinem Haar vergräbst. Wenn ich mir vorstelle, wie sich die Muskeln deiner nackten Brust unter meiner Hand anfühlen, berühre ich meine …«
»Hier kommt der Popcornnachschub!«, sagt Westford und platzt mit zwei großen, bis zum Rand mit frischem Popcorn gefüllten Schüsseln in den Raum. »Kiara, was machst du da?«
Die Szene muss ziemlich heiß aussehen. Kiara beugt sich auf allen vieren über mich. Ihr Gesicht ist nur Zentimeter von meinem entfernt.
Ich schlucke. Was sie gerade sagen wollte, lässt ein Bild in meinem Kopf entstehen, das kaum auszuhalten ist. Ich starre Kiara direkt in die Augen, um zu prüfen, ob sie mich verarscht oder nicht, aber ich kann es nicht erkennen. Sie hat Feuer in den Augen, aber ich bin nicht sicher, ob es Leidenschaft ist oder die Freude darüber, mich mit meinen eigenen Waffen geschlagen zu haben.
Ich schweige und lasse Kiara die Frage beantworten.
Sie setzt sich zurück auf die Fersen. »Ähm … ich … ähm … nichts eigentlich.«
Westford sieht mich fragend an.
»Glauben Sie mir, das wollen Sie nicht wissen«, sage ich zu ihm.
»Was denn?«, fragt Mrs W., die in diesem Moment das Zimmer betritt.
Der Professor reicht mir eine Schüssel mit Popcorn, während Mrs W. sich zurück auf ihren Stuhl setzt. Ich beginne zu kauen, damit mir das Reden erspart bleibt.
»Ich bekomme einfach keine klare Antwort aus den beiden raus«, beschwert sich Westford.
Kiara macht es sich in der anderen Ecke des Sofas bequem. »Mom, Dad, was würdet ihr tun, wenn ihr hier reinkämt und uns beim Knutschen erwischt?«
36
Kiara
Meine Frage war wirklich nur hypothetisch gemeint. Es war nicht meine Absicht, dass Carlos sich verschluckt und droht, an seinem Popcorn zu ersticken, was er in diesem Moment tut.
»Alles okay mit dir?«, frage ich ihn, als er wieder und wieder hustet.
Carlos sieht mich an, als sei ich die durchgeknallteste Person auf dem Planeten. »Warum zum Henker fragst du sie so was?«
»Weil mich die Antwort interessiert.«
Ich sehe, dass meine Eltern versuchen, auf telepathischem Weg miteinander zu kommunizieren und sich eine Antwort auf meine Frage einfallen zu lassen.
»Nun«, beginnt meine Mom, »hm, ja …«
»Was deine Mutter zu sagen versucht«, schaltet sich mein Dad ein, »ist, dass wir vor einiger Zeit auch mal Teenager waren und deshalb verstehen, dass Experimentieren zum Erwachsenwerden dazugehört …«
»Und ihr seid euch ja darüber im Klaren, wie wichtig es ist, euch und eure Körper zu respektieren«, sagt meine Mom. Ich habe den Verdacht, dass sie meine Frage absichtlich nicht beantwortet.
»Ja, Mutter.«
Mein Dad greift sich die Fernbedienung. »Okay, da wir das geklärt haben, welchen Film habt ihr euch ausgesucht?«
Ich werde ein bisschen rot, als ich sage: » West Side Story .«
Wir gucken den Film, aber ab und zu kichert Carlos, als fände er einige Teile völlig absurd. Am Ende weine ich so heftig, dass Carlos mir ein Taschentuch vom Beistelltischchen neben sich reichen muss.
»Gib mir bitte auch eins«, sagt meine Mum schnüffelnd. »Ich muss jedes Mal
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