Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
hätte vielleicht nicht herkommen sollen.«
Das rüttelte ihn auf. »Doch, natürlich! Ich bin froh, dass du mitgekommen bist. Es ist nur … ich würde so gern viel mehr über dich wissen.« Wieder schaute er sie an. »Klar, du musst gehen. Das hast du ja von Anfang an gesagt.« Er schwang die Füße auf den Boden und stand auf. »Ich mach dir einen Kaffee. Wir wollen doch nicht, dass du am Steuer einschläfst.«
Darauf erwiderte sie nichts, sie war zu sehr damit beschäftigt, diese letzte Bemerkung zu deuten. Seltsam. Aggressiv auch. Sie fuhr sich übers Gesicht. Sie hatte zu viel getrunken oder zu viel Sonne abgekriegt. Als er in die Küche ging, schaute sie ihm hinterher. Nein, er war in Ordnung, er war einfach ein bisschen speziell.
Sie gönnte sich ein paar kurze Was-wäre-wenn-Vorstellungen – wenn sie ein anderes Leben gelebt hätte, ein Jahrzehnt jünger wäre, nicht durch eine Ehe gebunden, durch Greg, ihren Job, wenn sie in der Lage wäre, das alles durcheinanderzuwirbeln, es in die Luft zu werfen und zu sehen, was wo landete. So war sie einmal gewesen. Es war ein Privileg, dass sie, leicht beduselt von Sonne und Wein, diesem früheren Selbst noch einmal zuschauen konnte, aber tief drinnen wusste sie, dass sie diese Frau nicht noch einmal
sein
wollte. Mit dem Flirten war Schluss. Zeit, nach Hause zu fahren.
In einer hübschen Kaffeetasse rührend, kehrte Adam zurück. »Tut mir leid, Milch ist keine da. Ich hab Zucker reingemacht, dann schmeckt er besser.«
Sie nahm ihm die Tasse ab und legte die Hand darum. Er setzte sich mit untergeschlagenen Beinen ihr gegenüber auf den Boden. Sie stießen an, er mit Wein, sie mit Kaffee.
»Ich glaube, wir sollten uns nicht wiedersehen, Adam. Und ich sage das mit Bedauern.«
Seine Miene war undurchdringlich. »Hast du schon vieles getan, das du hinterher bedauert hast?«
Sie zögerte. »Jede Menge wahrscheinlich. Aber das Einzige, was wirklich zählt, ist, dass ich Grace nicht gerettet habe. Das bedaure ich am meisten.«
»Woher weißt du, dass derjenige, der Grace umgebracht hat, nicht eigentlich hinter dir her war?«
Sie war so entsetzt, dass es ihr kurz die Sprache verschlug. »Wie meinst du das?«, brachte sie schließlich heraus.
»Wie ich es sage – es gab kein Motiv für den Mord, keinen Grund. Woher nimmst du also die Gewissheit, dass du nicht die Nächste bist?«
Nicky sprang auf. »Adam! Das ist eine Gemeinheit! Wie kannst du so was sagen?«
»Mir erscheint die Frage ganz logisch.« Als er ihren Gesichtsausdruck sah, verstummte er. »Tut mir leid … ich wollte nicht …«
Nicky stellte die Tasse weg. Plötzlich wurde ihr schwindlig. Sie sackte rücklings in einen Sessel.
»Alles okay? Geht’s dir gut?«
Seine Stimme kam von weit her, aber sie sah, wie er sich über sie beugte, er war ganz nahe. Sein Bild verschwamm vor ihren Augen, mischte sich mit den Schatten und dem Flackern der Kerzen.
»Nicky?«
16
A llmählich wurde Troy wütend. Er spürte, wie die Hitze sich in ihm breitmachte und raus wollte. R.J. sah verängstigt aus, beinahe grün im Gesicht. Da hockte er nun in seinem muffigen Lehnstuhl in diesem kleinen Raum, in dem die Luft abgestanden war und nach kalten Kippen stank. Mit lautem Dröhnen rollte ein Skateboard am Fenster vorbei, kurz darauf polterte es, und eine jugendliche Stimme fluchte nach dem Sturz.
Es war erstaunlich schwer gewesen, R.J. auf dem Gelände ausfindig zu machen. Niemand kannte ihn, und jetzt verstand Troy auch, warum: Er war zu arm, als dass ihn überhaupt jemand bemerkt hätte. Irgendwann hatte er schließlich diese Bruchbude entdeckt.
Schon beim ersten Schlag hatte R.J. bereitwillig zugegeben, einst einen Auftragsmörder auf seinen Geschäftspartner angesetzt zu haben. Er hatte mit einer Offenheit über sein früheres Leben gesprochen, als handele es sich um das eines anderen. Und dabei war ein geradezu verträumter Ausdruck in seine Augen getreten.
»Ich hab mich scheiden lassen, hatte ein Zusammenbruch …« Dann verstummte er. Es kostete ihn sichtlich Mühe, seine Gedanken zu ordnen. »Jetzt bin ich drei Jahre hier.« Dass er Gesellschaft hatte, schien ihm zu gefallen. »Die Kinder sehe ich nie, mit den Taxis ist schon lange Schluss.«
Troy wurde immer zorniger. Er versetzte R.J. einen Kinnhaken. Hörte den Knochen knacken. Sein Plan ging den Bach runter, weil der Mann so schwach war, so unfähig, sich in einer schwierigen Lage zu behaupten. Leute, die etwas zu verlieren hatten, zahlten,
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