Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
Augen. Ihre Hand zitterte.
»Wie hast du …!« Sie brachte das Wort nicht über die Lippen.
»Ich hab ihm damit eins übergezogen«, sagte er und wies auf die Brechstange. »Und damit.« Nun zeigte er auf die Überbleibsel einer Keramikvase, die im Kampf geworfen worden war.
Nicky zwang sich weiterzumachen. Sie zog sich am Geländer die Treppe hoch, weil sie das Handy aus ihrem Zimmer holen wollte.
»Wo gehst du hin?« Adam klang verzweifelt.
»Die Polizei rufen.«
Er rappelte sich auf. »Nein! Mach das nicht.«
Sie drehte sich um und starrte ihn an. Ihre Hand ruhte auf dem Treppengeländer.
»Adam! Wir müssen die Polizei rufen.«
Erste Vorboten der Morgendämmerung machten sich bemerkbar und tauchten den Raum in ein fahles Licht. Adam stand in einer Art Besitzerpose neben dem Leichnam.
»Wir können ihn begraben. Niemand wird ihn je finden.«
Nicky war, als kippe die Welt und wolle sich nicht wieder aufrichten. Sie hörte ihre eigene Stimme von weither.
»Wir müssen die Polizei holen, Adam. Du bist nicht schuld an dem, was passiert ist. Das begreifen die. Und ich unterstütze deine Aussage. Aber wir müssen sie holen. Jetzt. Wir hängen da beide drin, Adam.« Immer wieder nannte sie ihn beim Namen. Sie hatte einmal gehört, dass das Leuten, die verrückt zu werden drohten, half.
»Nein.«
Ihre Hand schloss sich fester um den Handlauf, das bewahrte sie vorm Ausrasten.
»Adam, du stehst unter Schock. Ich auch. Dieser Mann ist in dein Haus eingedrungen und hat dich angegriffen. Dafür ist die Polizei doch da – dass sie Leuten in solch einer Lage hilft.«
»Meinst du?« Er schnaubte verächtlich. »Du Glückliche. Du wirst mir helfen, ihn zu begraben. Das geht dich genauso an wie mich.«
»Du bist ja verrückt! Das ist keine normale Reaktion! Ich hole jetzt das Handy, und dann
müssen
wir die Polizei rufen!« Damit wandte sie sich ab und schleppte sich weiter die Treppe hinauf, wobei sie ihren desolaten körperlichen Zustand wieder und wieder verfluchte. Noch ein paar Meter, dann hatte sie das Telefon und konnte diese schreckliche Nacht …
»Es ist nicht mehr oben. Ich habe es, und wir rufen die Polizei nicht.«
Sie drehte sich erneut zu ihm um. Er stand unten und schaute zu ihr herauf. Sie stürzte durch eine schwarze Röhre in eine Welt, in der sie sich nicht auskannte – und nicht auskennen wollte. Hier stand sie, im Nachthemd einer toten Frau, vor einem, der eben einen Mann getötet, der einen Kampf auf Leben und Tod ausgefochten hatte. Ihr Blick wanderte weiter zu den abgetragenen Schuhen des Mannes auf dem Teppich. Wie verzweifelt hatte der um sein Leben gekämpft? Was für Kräfte hatte er mobilisiert? Wie hart war ein Kampf auf Leben und Tod? So hart man sich ihn nur vorstellen konnte. Und da stand einer, der wollte diesen Kampf vertuschen, wollte so tun, als habe er nie stattgefunden.
Vorsicht, Nicky, sagte ihre innere Stimme. Sei bloß vorsichtig!
Plötzlich war sie merkwürdig ruhig. Sie machten einander nichts mehr vor. Jetzt war klar, dass sie auf verschiedenen Seiten standen. Die Kluft zwischen ihnen wuchs beständig. Bald würde sie unüberwindlich sein, bald würden sie nicht einmal mehr miteinander sprechen können, weil dann offenbar würde, wie weit sie voneinander entfernt waren – wie verrückt er war. Wenn es ihr nicht gelang, ihn zum Umdenken zu bewegen, würde er sie – das wusste sie so sicher, wie sie wusste, dass auf die Nacht der Tag folgt – nicht weglassen. Und was das hieß, das wollte sie sich lieber nicht vorstellen.
»Du hast einen Mann getötet. In Notwehr. Das werde ich bestätigen. Aber selbst dieser Mann, wer auch immer er ist, hat eine Familie und ein Leben und Leute, die um ihn trauern werden. Du machst mir Angst, Adam.« Sie lotete aus, wie weit sie gehen konnte. »Du kannst das nicht vertuschen. Es wäre verrückt, das auch nur zu versuchen.« Vorsichtig machte sie einen Schritt die Treppe hinunter. »Es kostet nur einen Anruf, und du bekommst freundliche Beratung und Mitgefühl, so viel du dir nur wünschen kannst.« Schon mutiger, ging sie die nächste Stufe hinunter. »Du bist hundertprozentig im Recht. Du hast nichts Schlechtes getan.« Nun die nächste Stufe. »Ruf an!«
»Nein.« Er sah sie unverwandt an. »Vielleicht war er gar nicht hier, um das Haus auszurauben.«
Nicky stockte. Ihr kam ein Gedanke, der so schrecklich war, dass er sie regelrecht lähmte. Grace. Es war nicht logisch, jetzt an Grace zu denken, aber sie konnte nicht
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