Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
große Gläser Wasser ein.
»Ich hätte gern einen Schluck Wein.«
»Gute Idee.« Er zögerte kurz. »Danke, dass du mir hilfst.«
Sein Zorn schien verflogen, das ständige Schwanken zwischen Trübsal und Wut überwunden. Fast ähnelte er wieder dem Adam, den sie kennengelernt hatte.
Obwohl das wirklich nicht nötig gewesen wäre, hob er sie noch einmal hoch und trug sie bis vor die Tür zum Weinkeller. Es war, als wolle er sie nicht mehr loslassen. Langsam setzte er sie ab.
»Nicky … ich …« Seine Hände lagen noch auf ihren Schultern und drückten sie sanft gegen die Tür. Gerade als sie ihn wegstoßen wollte, spürte sie etwas Hartes im Rücken. Der Schlüssel.
Sie traf eine Blitzentscheidung. Du musst überzeugend sein, sagte sie sich, und als er sich an sie drängte, zog sie ihn noch weiter heran und küsste ihn.
Es geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Nicky stellte fest, dass sie nicht aufhören konnte. Nach all den Schmerzen und körperlichen Unbilden, nach der furchtbaren Angst und Einsamkeit reagierte sie viel heftiger auf ihn, als sie vorausgesehen hatte. Das Bedürfnis, einem Menschen nahe zu sein, sich lebendig zu fühlen, war übermächtig. Er drängte sie gegen die Kellertür. Am Bauch spürte sie seine Erektion, im Rücken das Bohren ihres kleinen Rettungsankers. Sie wühlte in seinem Haar. Er küsste gut. Seine Hände wanderten an ihrem Leib nach unten, er umfasste ihren Po und zog sie weiter zu sich heran.
So konnte er auf den Schlüssel stoßen.
Sie hielt die Luft an – vor Begehren und vor Sorge, ihr Hoffnungsschimmer könnte vernichtet werden. Und dann schob sie ihn ein Stück weg, streckte die Arme und legte ihm die flachen Hände auf den festen, austrainierten Brustkorb.
Er fixierte sie. »Nicky, ich …«
»Ich brauch einen Schluck.«
Sie löste sich von der Kellertür und wollte sie öffnen, doch es fühlte sich an, als sei ihr sämtliches Blut aus den Gliedmaßen in die Körpermitte geflossen, in den Schritt. Sie hatte Mühe, sich aufrecht zu halten, deshalb lehnte sie sich lieber an die Wand.
Adam riss die Kellertür auf und sprang die kaputte Treppe hinunter. Eine Stufe, noch eine … und er war unten.
Der Rest geschah in Zeitlupe. Sie riss sich zusammen, befahl ihrem Körper, die unerwartete Lust zu vergessen und stattdessen zu handeln. Als Adam sich zu ihr umdrehte, packte sie die Tür und schlug sie zu, bevor er überhaupt verstand, was passierte. Während sie sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Tür lehnte und den großen, altmodischen Schlüssel fasste und umdrehte, hörte sie ihn unentwegt rufen. Und im nächsten Moment begann er schon, sich von drinnen gegen die Tür zu werfen.
»Nicky! Tu das nicht!«
Sie hatte es geschafft. Der Bann war gebrochen. Ihr Körper schaltete von Lust um auf Flucht. Sie wusste, dass er nicht lange brauchen würde, um die Tür aufzubrechen. Also rannte sie los, hellwach, nüchtern überlegend. Diesmal würde es keinen überstürzten Wettlauf zum Tor geben. Sie steuerte die Scheune an, auch wenn das Risiko bestand, dass er schon vorher freikam und sie auf halbem Weg dorthin abfing.
Das alte Fahrrad lehnte noch am selben Fleck. Darauf hoffend, dass die Kette intakt war, schwang sie sich auf den Sattel und trat in die Pedale, was auf dem Kies mühsam war und sie ein paarmal schlingern ließ. Als sie ein Stück vom Haus weg war, legte sie an Tempo zu. Der Kiesweg führte zum See hinunter, doch sie hatte einen Trampelpfad entdeckt, der nach links abbog, hin zu einer Gruppe von Haselnusssträuchern und weiter. Da der Weg halbwegs eben war, kam sie gut voran. Ihr Ziel, dem sie sich holpernd näherte, war die hohe Mauer. Nach einigen Metern tauchte ein verwitterter, mit verdorrtem Moss bewachsener Pavillon vor ihr auf. Als sich genau über ihr das Dröhnen eines Flugzeugs erhob, stellten sich ihre Nackenhaare auf. Sie fuhr weiter, so schnell sie nur konnte. Am Pavillon bog sie nach rechts ab, in Richtung Mauer.
Dort angelangt, hielt sie einen Moment inne, um sich umzuschauen. Sie war jetzt vielleicht fünfhundert Meter vom Haus entfernt. Bäume und Gebüsch boten ihr guten Sichtschutz, und Adam wusste nicht, welchen Weg sie genommen hatte. Sie lehnte das Rad an die Wand, suchte sich eine kleine Unebenheit, an der sie sich festhalten konnte, stieg auf den Fahrradsattel und streckte den linken Arm, bis sie die Hand gerade eben auf die Mauer legen konnte. All ihre spärliche Klettererfahrung mobilisierend, tastete sie die glatte Wand
Weitere Kostenlose Bücher