Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
ans Ziel gekommen. Er war jung, er war ein Mann, er stand unter Stress, und sie war verzweifelt.
Das Motorengeräusch erstarb. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie sah ihn langsam und mit gesenktem Kopf an einer der neu gepflügten Furchen entlanggehen. Sein Gesicht lag im Schatten.
Was
suchte er? Jemand, der so händeringend nach etwas suchte, war beeinflussbar, hatte eine Schwachstelle. Daraus musste sie einen Vorteil ziehen.
»Adam!«, rief sie, doch es war nur ein Krächzen. Sie schluckte und versuchte es noch einmal. »Adam!« Jetzt war sie schon lauter, eindringlicher, ihre Stimme fester.
Er hob den Blick.
»Adam! Ich habe Hunger!«
22
W enn du versuchst wegzulaufen, werde ich noch viel wütender, als ich es vorhin war.«
Er hockte sich hin, fixierte sie und rieb sich nachdenklich die Hände. Dabei entstand ein schabendes Geräusch. Die trockene Erde löste sich von seinen Fingern und fiel als feiner Staub auf den Teppich. Von seinem Zorn war nichts mehr zu spüren. Er sah aus wie ein Mann, der gut gelaunt in seinem Garten arbeitete.
Sie nickte. Er öffnete den Bügel an ihrem Handgelenk und half ihr auf die Beine. Bei dem Versuch, ihren Fuß zu belasten, jaulte sie auf. Nach dem Sprint war er noch erheblich weiter angeschwollen.
Humpelnd folgte sie Adam in die Küche. Bei jedem Schritt zuckte sie zusammen. An der Salontür hatte er genug von ihrem Ächzen. Er nahm sie auf den Arm und trug sie den Rest des Weges. Nicky hielt die Luft an und starrte auf die Fußleisten. Nach diesem furchtbaren Tag hatte die körperliche Nähe etwas Absurdes.
Neben einem der Stühle in der Küche setzte er sie ab, und sie sank sofort darauf nieder.
»Was möchtest du?«
»Brot und Käse wären in Ordnung.«
»Leg die Hände auf den Tisch, damit ich sie sehen kann.«
Sie tat, was er verlangte, und verfolgte, wie er an der Spüle den Dreck von seinen Händen wusch und anschließend im Raum umherging, Teller holte und ein paar Vorräte zusammensuchte. Sonnenlicht fiel in langen Strahlen herein. Wieder war Nicky fassungslos angesichts ihrer absurden Lage. Im einen Moment ging es zwischen ihnen beinahe normal zu, im nächsten kippte es, und das Grauen begann. Sie fuhr sich durchs Haar, schob es hinter die Ohren. Ihre Lippen waren spröde von der Sonne und mehreren Abenden mit zu viel Alkohol. Sie war hier zwar die Gefangene, aber Adam gab sich umgänglich. Wenn er Gesellschaft und Unterhaltung haben konnte, würde er sie nicht zurückweisen. Und sie würde sie ihm geben.
Erst als er ihr ein Glas Wasser hinstellte, merkte sie, wie durstig sie war. Sie leerte es in einem Zug und verlangte nach mehr. Er lächelte, als er ihr nachschenkte und Brot und Käse auftischte. Sie aß viel, und je mehr sie im Magen hatte, desto stabiler fühlte sie sich, fast schon im Bereich des Normalen.
Er stand auf, ging hinüber zum Tresen und griff sich einen Apfel. »Hier.«
Sie hob den Blick. Er warf ihr den Apfel zu und pfiff anerkennend, als sie ihn fing. Dann setzte er sich wieder an den Tisch und brach von dem Schokoladenriegel, den er mitgebracht hatte, ein Stück für sie ab. Sie sah eine dunkle Spur in seinem Haar: getrocknetes Blut aus der Wunde, die sie ihm mit dem Stock beigebracht hatte. Trotz allem, was er ihr angetan hatte, empfand sie leise Scham.
»Tut dein Kopf noch weh?«
Er starrte sie an, während er die Wunde mit einem Finger befühlte.
»Soll ich das mal sauber machen? Da klebt Blut in den Haaren.«
Es war deutlich zu sehen, wie er mit sich rang, unsicher, ob er ihr trauen sollte oder nicht.
»Ich wasche nur das Blut raus.«
Schließlich stand er auf, ließ warmes Wasser in eine Schüssel laufen und holte die Watte. Er setzte sich neben sie, beugte sich zu ihr herüber und drehte den Kopf so, dass er sie anschauen konnte, während sie das Blut beseitigte. Sie starrte auf sein glänzendes schwarzes Haar und ermahnte sich, an das Positive zu denken. Sie war nicht mehr gefesselt. Wenn sie erreichte, dass es so blieb, hatte sie eine Chance.
»Es ist ein ziemlicher Akt, den gesamten Rasen umzugraben, nur weil du in einem Tagebuch von vor zwanzig Jahren etwas gelesen hast.«
Er zuckte die Achseln und schwieg.
»Kann ich die Tagebücher lesen?«
»Nein.«
Er zog den Kopf unter ihren tupfenden Fingern weg. Plötzlich wirkte er vergrätzt. Er war blass und sah aus, als würde er schon wieder wütend. Sie hatte das Gefühl, dass er sich innerlich abschottete, und gab sich Mühe, ihn zurückzuholen.
»Man sucht
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