Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
mit der Kunstszene kokettiert, obwohl sie sich das mit der ganzen Kohle von ihrem Vater, der sie vergöttert hat, sehr wohl hätte erlauben können.«
Nicky hörte Liz über Grace reden, als hätte sie, Nicky, sie gar nicht gekannt, aber sie hielt den Mund und hörte zu. So erfuhr sie aus erster Hand, wie sehr Liz diese Art von Frauen verabscheute.
»Sie hatte Mumm«, fügte Liz hinzu und zog eine Nelke aus dem Schinken.
»Sie war ehrgeizig«, ergänzte Nicky.
»Das glaube ich wohl. Er war sehr glücklich mit ihr, da bin ich mir sicher. Heute ist er ein ganz anderer Typ. Sie hat ihn verändert, hat seinen Ehrgeiz herausgekitzelt und ihm den Rücken gestärkt. Man könnte sagen, sie hat ihn mitgezogen, und obwohl sie nicht mehr da ist, macht er immer weiter.«
»Und was war vor Grace?«
»O Gott, ich weiß nicht einmal mehr alle Namen. Es gab nie eine Pause. Mal war es eine Homöopathin, mal eine Tänzerin. Die hat er, glaube ich, für die Verrückte verlassen.«
Nicky seufzte. »Also ist er einer, der immer schon ein neues Glas Wein stehen hat, bevor er das alte wirklich leert.«
Lächelnd nahm Liz eine Scheibe Schinken vom Teller. »Wie Tarzan im Dschungel – er springt von Ranke zu Ranke«, sagte sie und schwenkte die Schinkenscheibe vor ihrem Gesicht hin und her.
»Ich bin da anders. Ich neige nicht so zum Springen«, erwiderte Nicky und rief sich ihre eigene Geschichte in Erinnerung. Sie war immer stolz darauf gewesen, nicht einen Freund durch den nächsten ersetzen zu müssen. Sie hatte die Kraft, allein zu sein, wenn es denn so sein sollte.
»Also hat er dir davon erzählt?« Während ihr noch ein Stück Schinken aus dem Mund hing, starrte Liz Nicky durchdringend an.
Um Zeit zu schinden, wedelte Nicky vage mit der Hand. Wovon hatte er ihr erzählt? »Ja, das hat er. Alles hat er erzählt.«
Liz stieß einen erleichterten Seufzer aus. »Gott sei Dank! Ich hab ihm immer gesagt, dass er es dir erzählen soll. Mit so einem Geheimnis kann aus einer Beziehung nichts werden. Irgendwann wäre er verrückt geworden.«
Nicky bekam einen trockenen Mund. Eigentlich hatte sie nur einen billigen kleinen Sieg über Liz davontragen wollen, und plötzlich tat sich vor ihr ein Abgrund an Geheimnissen auf.
»Wann hat er es dir erzählt?«
Nach kurzem Zögern entschied Nicky sich. »Ist noch nicht lange her.«
»Das nehme ich mal als sehr gutes Zeichen. Er hat immer geschworen, dass niemand je davon erfahren wird. Wenn er sich dir gegenüber so geöffnet hat, ist das ein großer Fortschritt. Nicht einmal unsere Eltern wissen es, und Grace hat er es auch nie erzählt.«
»Warum nicht?«
»Ich glaube, er hat es als Versagen empfunden. Vor allem hatte er Angst, dass alle denken könnten, es sei seine Schuld. Er wäre ein wunderbarer Vater gewesen.«
Das war wie ein Schlag in die Magengrube. Nicky gab sich alle Mühe, locker zu erscheinen.
»Ja, da bleibt so viel offen. Wie alt wäre das Kind jetzt eigentlich?«
»Na ja, ungefähr zehn, schätze ich.«
Während sie fieberhaft überlegte, schüttelte Nicky den Kopf. »War sie anders als Grace?«
»Francesca?«
Nicky nickte, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wer Francesca war.
»Sie war natürlich auch blond, wie alle. Mein Gott, ich mag meinen Bruder wirklich, aber er entspricht so dermaßen dem Klischee! Sie waren alle blond. Ihr wart alle blond! Ich bin ihr nicht oft begegnet.« Liz stopfte sich den Schinken in den Mund und grinste Nicky an. »Ich nehme an, sie konnten mich alle nicht leiden. Ich war immer die große, laute Schwester von Greg. Der Kotau vor jungen Blondinen war noch nie mein Ding.«
»Vor mir hast du bestimmt keinen Kotau gemacht, und dafür werde ich dir ewig dankbar sein.«
Endlich trat ein Lächeln auf Liz’ Gesicht, das Nicky echt erschien. Es machte ihre Züge weicher, verlieh ihr etwas Mütterliches.
»Wenn ich ehrlich sein soll: Ich fand, dass er zu schnell mit Grace zusammengekommen ist. Sie sah aus wie Francesca, und ich hatte immer den Verdacht, dass sie vor allem deshalb zusammen waren. Heute denke ich allerdings, dass sie einander geliebt haben, heftig geliebt.«
Nicky beugte sich vor. Sie hing an Liz’ Lippen. Ihr ging auf, dass sie, obwohl sie mit Greg verheiratet war, über seine früheren Liebesgeschichten kaum etwas wusste. Ein Baby. Greg wäre beinahe Vater geworden. Sie wusste nicht, mit wem er wann zusammen gewesen war. Für sie bestand die Vergangenheit aus Grace und ihrem Todeskampf. Das beschäftigte sie immer
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