Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
drohend.
»Du dachtest, ich hätte sie beide umgebracht, stimmt’s? Aber meine Frage hast du immer noch nicht beantwortet. Hast du mich jemals angelogen?« Er reckte den Kopf vor. »Von wo hast du angerufen neulich, als du mich aus dem Bett geholt hast, na? Und dann hast du aufgelegt, ehe du überhaupt richtig was gesagt hattest.«
»Ich …«
»Hast du mich jemals angelogen? Im Zusammenhang mit etwas, das gerade erst gewesen ist?«
»Ja, das habe ich. Ja«, entgegnete sie, laut jetzt, ohne Scham oder Verlegenheit.
»Gott steh dir bei«, flüsterte er, und dann knallte er die Tür hinter sich zu.
Troy hatte die Adresse durch Rückverfolgen der Telefonnummer herausgefunden, unter der er Greg Petersons Mailbox erreicht hatte. Beim Anblick der Postleitzahl hatte sein Herz höher geschlagen: Maida Vale war eine noble Gegend. Viel gab er nicht auf Intuition, er traute ihr nicht, aber er musste doch zugeben, dass ihn hin und wieder so eine Ahnung beschlich, und dann machte sich freudige Erwartung in ihm breit. Das hier fühlte sich schon ganz anders an als das Ding mit dem Versager R.J. , der nicht in der Lage war, auch nur einen Cent für alte Sünden zu zahlen. Ein Geheimnis, das mit ins Grab genommen worden war, würde sich durch die kalte Erde wieder ans Licht wühlen wie eine blutige Hand und Greg Peterson sein ganz persönliches Horrorfilm-Ende bescheren. Troy konnte es kaum erwarten. Zunächst jedoch musste er sich vorbereiten – auf einen möglichen Erfolg ebenso wie auf einen Fehlschlag. Und wenn er noch so ungeduldig war – die Gefahr, dass etwas schiefging, bestand immer. Für einen Moment sah er Struans Schlangen-Tattoo vor sich, doch das Bild verschwand sofort wieder.
39
G regs Ellbogen rutschte von der Kante des Bartresens im Crown-Hotel in Cricklewood, und er musste ziemlich rudern, um nicht von seinem Hocker zu kippen. Wie die Mächtigen fallen, dachte er. Dieses Fiasko von einem Wiedersehen war das Gegenteil von dem, was er gewollt hatte. Es war mit ihm durchgegangen, und das war ihm nicht zum ersten Mal passiert. Zorn und wie er ihn im Zaum halten konnte – damit hatte er schon immer Schwierigkeiten gehabt. Normalerweise fiel es ihm in letzter Zeit leichter, jetzt, da er älter und ruhiger war, wegen des niedrigeren Testosteronspiegels wahrscheinlich. Testosteron – was war das? Wo steckte es? In den Eiern? Irgendwelchen Drüsen? Er hätte wohl in Biologie besser aufpassen sollen, aber er wusste auch, warum er es nicht getan hatte: weil er dauernd damit beschäftigt gewesen war, Mädchen aufzureißen, damals, als er noch frech war und selbstbewusst und so unfassbar jung. Darin lag durchaus Ironie – wenn man sie denn sehen wollte. Aber das wollte er nicht, an diesem Abend nicht und auch sonst nicht. Für ihn war das, was zwischen seinen Beinen hing, der Ausgangspunkt des Begehrens: seines Bedürfnisses nach Liebe, seiner Unfähigkeit, sie zu bewahren.
Er kippte den Jim Beam, den ihm der Barmann eingeschenkt hatte. Der Kerl sah aus wie fünfzehn und trug ein Metallschild an der Uniform. Die Schrift darauf war zu klein, die konnte Greg nicht lesen. Außerdem war er betrunken, er sah die Dinge nicht mehr so scharf.
»Wie heißen Sie?« Er fand, das hatte er sehr verständlich herausgebracht.
»Vladek«, antwortete der Fünfzehnjährige und wandte sich ab, unangenehm berührt von dem alten Sack, der hier seinen Kummer ersäufte.
Die Bar war so leer – es musste weder ein Geschirrspüler eingeräumt noch Zitrone geschnitten werden. Mit der plötzlichen Hellsichtigkeit des Betrunkenen begriff Greg, dass der Typ nichts mit ihm zu tun haben wollte.
»Meine Frau und Sie«, sagte er.
Vladek drehte sich nicht um. Aus den Boxen in den Wänden kam Musik, die Greg nichts sagte. Was für eine Heimkehr! Genau das, wofür er zwölf Stunden Nachtflug auf sich genommen hatte: eine Absteige in Scheiß-Cricklewood. Er hätte sich etwas zentraler Gelegenes suchen, ins Hilton oder ins Dorchester gehen können, Geld verplempern und sich bedienen lassen, aber er hatte sich ganz seinem Weltschmerz hingeben wollen, und das wäre an einem Ort, wo er jederzeit Bekannte treffen konnte, schwierig gewesen. Er legte das Kinn auf die Brust und fuhr sich über den schweißnassen Nacken. Hier war es wärmer als in Kalifornien, zum Henker. Dort kam nachts wenigstens eine kühle Brise vom Pazifik, oder die Klimaanlage verrichtete geräuschvoll ihr Werk. Der Gestank Londons unter der Hitzewelle erinnerte ihn an
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