Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)
nimmt?«
»Hör auf!«, stöhnte Cynthia und wäre am liebsten im Boden versunken. »Ich weiß, wie sich das anhört.«
Judy schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass du das weißt. Denn sonst würdest du sofort mit diesem Unsinn aufhören und wieder normal werden: Die Frau, die ich kenne und gernhabe, die unverstellt und kompromisslos ist und sich nicht verbiegen lässt. Cynthia, das sieht dir überhaupt nicht ähnlich …«
Ein Schrei unterbrach sie, und beide zuckten zusammen. Eine junge Frau am Fenstertisch war aufgesprungen und zeigte auf ihren Teller. »Da ist eine Kakerlake in meinem Essen«, rief sie. »Sie ist riesig! Und sie lebt noch!«
Cynthia und Judy ließen wie auf Kommando die Gabeln sinken.
Der Begleiter der Frau starrte auf ihren Teller, nahm dann ihre Hand und versuchte, sie zu beruhigen. »Ich glaube, das hast du dir bloß eingebildet«, sagte er. »Siehst du? Da ist nichts.«
Die Frau machte einen Satz nach hinten und presste sich an die Wand. »Nimm das Ding da weg!«, schrie sie. »Das ist ja ekelhaft. Dieses Lokal muss sofort geschlossen werden !«
Ihr Begleiter, dem das Ganze sichtlich peinlich war, zückte seinen Geldbeutel und drückte dem Kellner mit einemverkrampften Lächeln ein paar Scheine in die Hand. »Komm, Liebling«, sagte er und legte eine Jacke um die bebenden Schultern der inzwischen weinenden Frau. »Wir können auch zu Hause essen.«
»Meine Güte«, sagte Cynthia, nachdem die Tür sich hinter dem Paar geschlossen hatte. »Das war aber ziemlich gruselig.«
Der Kellner entschuldigte sich für den Aufruhr, als er die Teller abräumte. »Kann ich Ihnen noch einen Nachtisch bringen? Geht aufs Haus.«
Sie wollte schon Ja sagen, als Judy ihr mit einem energischen »Nein, danke, die Rechnung bitte« ins Wort fiel – um dann auf Cynthias enttäuschten Gesichtsausdruck hin zu sagen: »Jetzt sei nicht beleidigt! Ich habe dir doch gesagt, dass ich nicht viel Zeit habe. Dass ich wegen des Stromausfalls heute Nacht zwei Stunden verloren habe, macht es auch nicht gerade besser. Und jetzt erzähl mir bitte nicht, dass ich meine Daten regelmäßig sichern soll, wenn ich am Computer sitze, denn so schlau bin ich mittlerweile auch.«
Cynthia versuchte ihre Enttäuschung zu verbergen. Sie hatte gehofft, beim Dessert mit Judy besprechen zu können, wie sie sich Damien gegenüber verhalten sollte. Gemeinsam hätten sie vielleicht eine Lösung für das Schlamassel gefunden, in das sie sich selbst hineinmanövriert hatte. Sie hatte sich auf ein gutes Frauengespräch gefreut, wie sie es noch vor gar nicht allzu langer Zeit oft geführt hatten.
Die Rechnung kam, und Judy zahlte, wobei sie Cynthias Zwanzigpfundschein wegschob. »Ich lad dich ein«, sagte sie und zog ihre Jacke an. »Zum Dank dafür, dass du mir diese … Phase der Zurückgezogenheit nachsiehst. Zumal du ohne mich ja offensichtlich auf die schiefe Bahn gerätst.«
Die Straße war hell erleuchtet und stark befahren. Smog hing in der Luft und verschleierte die Skyline.
»Und, was hast du heute Abend noch vor?«, erkundigte sich Judy, als sie vor ihrem Bürogebäude stehen blieben.
Cynthia zuckte die Achseln. »Ich glaube, ich werde einfach nach Hause gehen. Ich sehne mich nach einer heißen Badewanne und will früh ins Bett.«
Judy lächelte ein wenig verkniffen. »Es muss schön sein, sich so lange Pausen leisten zu können.«
»Ist das dein Ernst? Ich habe gerade einen Dreizehnstundentag hinter mir, und zwischen meinen Schichten lagen höchstens elf Stunden.«
»Elf Stunden!«, sagte Judy wehmütig. »Was würde ich darum geben, elf Stunden Freizeit zu haben.«
»Freizeit kann man das wohl kaum nennen. Ich muss schließlich schlafen.«
Wieder dieses verkniffene Lächeln. »Ja, natürlich musst du das.«
Cynthia breitete die Arme aus und wollte ihre Freundin zum Abschied umarmen, aber Judy küsste nur kurz die Luft vor Cynthias Wangen, drehte sich um und lief dann mit raschen Schritten durch die Tür von Lyons, Mason and Leigh.
REM-PHASE
»Ich muss gestehen, dass auch ich zu den Schläfern zähle und mich bis vor Kurzem sehr dafür geschämt habe.«
Fran Lebowitz
32
März
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