Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)
ich werde das Gefühl nicht los, dass die Lösung zum Greifen nah ist. Ich bin nur zu müde, sie zu sehen.« Er warf einen Blick auf die Uhr und schaute anschließend sehnsüchtig zu dem geschlossenen Erfrischungskiosk hinüber. »Ich würde sonst was für eine Tasse Kaffee geben.«
Cynthia warf einen erneuten Blick auf die Ringe unter seinen Augen. »Wann hast du das letzte Mal geschlafen?«, fragte sie sanft.
Seine Antwort war nur ein dumpfes Lachen. »Soll das eine Fangfrage sein? Kannst du dich noch an die Zeit erinnern, als man einfach geschlafen, aber nicht darüber geredet hat? Jetzt heißt es ständig: ›Warum schläfst du noch?‹ oder ›Wann hast du mit dem Schlafen aufgehört?‹« Er trat nach einem der Kieselsteine auf dem Weg.
Cynthia musste an Damien denken, daran, wie er heute Morgen ausgesehen, als er sich vorgebeugt und sie geküsst hatte. An das Blau und Braun seines ungleichen Augenpaars und die dunkellila Haut darunter.
Das Kreischen eines Affen holte sie ins Hier und Jetzt zurück. Nick starrte niedergeschlagen zu Boden.
»Tut mir leid«, sagte sie. »Ich wollte dich nicht …«
»Sechsunddreißig Stunden. So lange habe ich nicht mehr geschlafen.« Dann musterte er sie seinerseits genauer. Sie trug jetzt die Shifter-Schimmer-Nuance Purple Twilight .»Bei dir ist es noch viel länger her, nehme ich an?«, sagte er leise.
Sie schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein. Das ist Make-up. Es … es ist wegen der Arbeit. Ich hab heute Nacht gerade mal fünf Stunden geschlafen. Ich muss wohl nicht dazu sagen, dass ich völlig fertig bin, ich brauche nämlich meine acht Stunden Schlaf.«
Da lächelte er. »Braves Mädchen.«
Das Knacken des Polizeifunkgeräts, das er umgehängt hatte, drang an ihr Ohr, eine Männerstimme leierte Zahlen herunter. Nick antwortete und nickte Cynthia kurz zu, bevor er unter dem Absperrband durchschlüpfte und den Weg hinunterlief. Ein Krankenwagen kam, Blaulicht und Martinshorn waren ausgeschaltet. Der Tod hatte dem Einsatz jede Dringlichkeit genommen. Sie schloss die Augen und dachte an den Fahrgast, der bald hineingeladen würde wie ein Stück Fracht. Was hatte die Frau hier mitten in der Nacht zu suchen gehabt? Vielleicht kannte sie den Mörder? Vielleicht hatte er sie überredet, über den Zaun zu klettern? Nein, völlig unmöglich. Die Absperrung, die den Zoo umgab, war hoch und oben mit Stacheldraht versehen. Cynthia musterte ihre Umgebung, konzentrierte sich auf den Steilhang, das Vogelhaus, den Yak-Pferch und den Kiosk.
Die Lösung ist zum Greifen nah.
33
Ich wachte davon auf, dass ich laut schrie. Ich wusste nicht, wo ich war. Ich war von weißen Wänden umgeben, von einem Haufen komplizierter Apparate. Ich versuchte mich aufzusetzen, war aber mit Gurten ans Bett gefesselt. Schläuche mit Nadeln an den Enden steckten in meinen Armen. Wenn ich mich bewegte, stachen sie. Das tat höllisch weh, also hielt ich mich ruhig und spürte, wie mein Herz galoppierte. Wie war ich hier gelandet?
Das Letzte, woran ich mich erinnern konnte, war, dass ich mit Carl im Aufenthaltsraum Billard gespielt hatte. Warum war ich nicht mehr dort? Und wo waren die anderen? Ich versuchte nachzudenken, aus allem schlau zu werden. Aber es war sinnlos, meine Gedächtnislücken waren einfach zu groß.
Vielleicht hatten die Studienleiter gemerkt, dass ich versucht hatte, die Tabletten zu stehlen. Ich hatte gemacht, worum Katrina mich gebeten hatte, nämlich so getan, als würde ich die Pille schlucken, während ich sie in Wirklichkeit unter meiner Zunge versteckte. Aber die Mediziner hatten mir anschließend mit einer Taschenlampe in den Mund geleuchtet. Ich musste die Zunge anheben, damit sie darunter nachschauen konnten. Also hatte ich die Pillen schlucken müssen, um nicht erwischt zu werden. Vielleicht hatten sie mich dabei ertappt. Vielleicht wussten sie, dass ich sie hatte beschummeln wollen, und das war die Strafe dafür.
Dann hörte ich Stimmen auf der anderen Seite der Tür. Ich lag ganz still da und lauschte angestrengt. Aber ich verstandnur Bruchstücke: »Die Blocker funktionieren nicht.« … »Ein Einzelfall und somit kein Grund zur …« »Einfach Pech.« Dann ein ganzer Satz: »Wir werden den Angehörigen sagen, dass er an Schizophrenie leidet.«
Ich wusste, was Schizophrenie ist: Das bedeutet, dass man verrückt ist. Redeten die über mich? Ich versuchte mich wieder zu bewegen, aber die Nadeln pieksten mich. Meine Augen schwammen vor Tränen, aber ich konnte
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