Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)
Sekunden vergingen, in denen sie mit hämmerndem Herzen wartete, ob er ihr die Geschichte abnahm. Hinter ihm legte der Arzt eine Hand auf die Stirn des Patienten. Die Techniker gingen in Zweier- und Dreiergrüppchen hinaus in den Aufenthaltsraum, während sie leise miteinander redeten.
»Nun, ich denke … ich denke, das ist nachvollziehbar«, sagte Ken, der nach wie vor nervös seine Finger knetete. »Aber … ich gehe davon aus, dass Sie über nichts berichten, was Sie außerhalb unseres Interviews gesehen haben. Nicht, dass es da viel zu berichten gäbe« – knack, knack –, »unser Noel hatte eine kleine Krise, aber jetzt geht es ihm wieder gut. So was kann schon mal vorkommen.«
»Vergessen Sie’s, Ken!«, sagte Damien düster. »Es ist zu spät. Sie hat zu viel gesehen. Ich fürchte, wir werden sie umbringen müssen.« Er wandte sich mit einem Augenzwinkern an Cynthia. »Oder aber ich versuche, Sie zu bestechen. Mit einem Abendessen vielleicht? Unter Umständen springt sogar noch ein Drink für Sie raus. Aber nur, wenn Sie schweigen.«
Cynthia spürte ein Flattern in ihrer Brust. Eine andere Form der Erregung konkurrierte mit ihrem Adrenalincocktail aus Angst und Schuld. Sie wollte Ja sagen, nichts als Ja sagen. Doch sie wusste, das konnte sie nicht. Wenn sie die Einladung annahm, konnte sie die Geschichte nicht schreiben, die in ihrem Kopf bereits Gestalt annahm (»Das Herz eines Pharmaprobanden hört auf zu schlagen, nachdem Draycott Life Sciences ihn nach zu laxen Kontrollen zu einer weiteren hochriskanten Studie zugelassen hatte, obwohl er noch unter der Wirkung eines anderen Testmedikaments stand. Dieser Fehler mit beinahe tödlichem Ausgang ereignete sich kaum eine Woche nach dem berüchtigten ›Ballonsyndrom‹-Vorfallbei Newman Meyers Research …«) Damit hatte sie gute Chancen, es auf die Titelseite zu schaffen. Und das war das Einzige, was zählte … oder etwa nicht?
Damiens Blick brachte die Luft zwischen ihnen zum Knistern. Ein blaues und ein braunes Auge. Sie zögerte. So ganz moralisch einwandfrei war ihr Verhalten auch nicht gerade gewesen. Damit konnte sie den Sentinel in ziemliche Schwierigkeiten bringen. Außerdem war ja niemand gestorben. Vielleicht kam ihr der Vorfall nur so dramatisch vor, weil sie selbst dabei gewesen war. Sie warf einen erneuten Blick auf den Probanden, der jetzt wieder voll bei Bewusstsein war und dem Arzt etwas zuflüsterte. Es sah ganz so aus, als ob mit ihm alles in Ordnung war. Keine große Sache, wirklich nicht.
»Nein, ich … na ja, vielleicht – ach, warum eigentlich nicht?« Sie sah Damien mit einem etwas schüchternen Lächeln an und suchte in ihrer Handtasche nach einer Visitenkarte. »Hier ist meine Nummer.« Ihre Finger berührten sich kurz, als sie sie ihm reichte. Sie wies mit dem Kinn auf den Mann auf dem Stuhl. »Und womit hätten Sie mich bestochen, wenn er es nicht geschafft hätte?«
»Mit einer Woche auf den Bahamas«, erwiderte Damien, ohne zu zögern. »Und mit einem ganzen Kleiderschrank voller Blusen. Damit Sie nicht jedes Mal unter die Verbrecher gehen müssen, wenn Sie nass werden.« Er grinste. Ihre Blicke trafen sich und hielten einander fest.
Ken brach den Bann. »Es ist 10 Uhr 55, Damien. Sollten Sie sich nicht um die Elf-Uhr-Urinprobe kümmern?«
Damien sah auf seine Uhr und zuckte zusammen. »Ich muss los«, sagte er. »Bis bald.« Damit verschwand er.
Cynthia starrte auf die Lücke, die er hinterlassen hatte. Einer von zehntausend, dachte sie.
3
Mit fünfundzwanzig bekam ich einen Job. Die vom Arbeitsamt zwangen mich immer, mich auf alle möglichen blöden Jobs zu bewerben. Normalerweise sorgte ich absichtlich dafür, dass das Vorstellungsgespräch danebenging, indem ich so tat, als wäre ich betrunken. Oder ich fragte den Personalchef, ob er jemanden kennt, der mir Gras verkaufen kann. Genau das hatte ich auch vor, als ich zum Full Bloom Florist and Garden Centre ging. Aber noch bevor ich die Gelegenheit hatte, meinen Text abzuspulen, führte mich der Besitzer durch sein Gewächshaus. Ich hatte so was noch nie gesehen: Es hatte ein Glasdach und Blätter, die aussahen, als würden sie von oben herunterwachsen, und die Sonne beleuchtete sie, sodass sie glänzten. Es roch, wie es manchmal im Park riecht, direkt nach dem Rasenmähen. Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich an diesem Ort wie ein anderer Mensch. Wie einer, der auch mal Glück haben kann.
Also sagte ich die richtigen Sachen und bekam den Job, bei dem ich
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