Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)
Cynthia unvermittelt durch den Kopf und beschworen wieder Damiens gehetzten Blick am Vorabend herauf. Mein Gott, wie hatte sie nur übersehen können, dass etwas mit ihm nicht stimmte? Dass ihr Freund gegen Dämonen ankämpfte und keinen Schlaf fand? Und dieser schreckliche Albtraum … Wie hielt er das bloß aus, Nacht für Nacht aus einem Flugzeug gerissen und hinunter zur Erde geschleudert zu werden?
Vielleicht wird es irgendwann passieren. Falls ich je wieder fliegen sollte.
Zehn Stunden waren vergangen, seit sie diese Worte gehört hatte, aber Cynthia konnte sie immer noch nicht fassen. Damiens Überzeugung, der Traum prophezeie die Zukunft, passte einfach nicht zu ihm. Geistesabwesend kritzelte sie am Rand ihres Stadtplans herum und überlegte. Angenommen, seine Albträume waren kein Blick in die Zukunft … was hatte sie ausgelöst? Grübelnd drehte sie den Stift zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her. Egal, von welcher Warte aus sie die Sache betrachtete – es gab nur eine logische Erklärung: Damien war in ein Flugzeugunglückverwickelt gewesen. Aber aus irgendeinem Grund sollte sie das nicht wissen.
Warum nicht? Könnte das etwas mit ihrer Beziehung zu tun haben? Der Gedanke löste einen kurzen Anfall von Panik in ihr aus, bevor sie ihn wieder verwarf. Seit sie ein Paar waren, waren Damien und sie höchstens einen Tag getrennt gewesen. Also musste das Unglück vor ihrer Zeit passiert sein. Eine missglückte Flugreise mit einer anderen Frau war somit ausgeschlossen. Aber wenn die Wahrheit keine Gefahr für ihre Beziehung darstellte, warum hielt er sie dann vor ihr geheim?
Cynthia starrte auf ihren Schreibtisch und sah, dass sie die Umrisse eines Flugzeugs auf den Stadtplan gekritzelt hatte. Sie versah den Rumpf mit einem Riss und betrachtete das Bild. Ein derartiges Unglück … darüber musste es Presseberichte geben. Sie schob den Plan beiseite, wandte sich ihrem Computer zu und loggte sich ins Archiv ein. Es reichte Jahrzehnte zurück und enthielt sämtliche Artikel aller wichtigen Zeitungen weltweit. Mit einer einfachen Suchanfrage konnte sie alle Berichte aufrufen, in denen ein Flugzeug vorkam, dessen Rumpf im Flug geborsten war. Damit hätte sie eine Fluggesellschaft und eine Flugnummer und müsste nur noch einen Blick auf die Passagierliste werfen, um zu wissen, ob Damien mitgeflogen war.
Cynthia wollte gerade die Suchbegriffe eingeben, als sie innehielt. Was genau wollte sie eigentlich mit dieser Information anfangen? Damien damit konfrontieren und ihm gestehen, dass sie hinter seinem Rücken herumgeschnüffelt hatte? War das ihre Vorstellung von einer Beziehung?
Nein. Sie schloss das Archiv. Falls Damien etwas vor ihr verheimlichte, musste sie darauf vertrauen, dass er seine Gründe dafür hatte. Besser, sie gab ihm Zeit, sich zu öffnen, statt ihn zu behandeln wie einen Verbrecher.
Und schließlich hatte sie es hier mit einem echten Verbrechenzu tun: Vor ihr lag der Stadtplan mit den beiden roten Kringeln. Sie hatte genug Zeit mit Beziehungsparanoia verschwendet, höchste Zeit, dass sie sich an die Arbeit machte. Sie griff nach einem Leuchtstift, markierte eine neue Route von Maida Vale nach Limehouse und runzelte nachdenklich die Stirn, als sie erneut auf die blaue Barriere der Themse stieß. Die Leiche musste flussaufwärts von Limehouse ins Wasser geworfen worden sein. Aber der Weg die Themse entlang war geradezu übersät mit Überwachungskameras. Sie trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch. Irgendetwas musste sie übersehen haben.
Jemand rempelte gegen Cynthias Stuhllehne, und als sie sich umdrehte, sah sie, wie Marcus im Mantel zu seinem Schreibtisch ging. Meine Güte, arbeitete der etwa immer noch ? Marcus hatte sich diese Woche erneut für die Nachtschicht gemeldet, also kehrte er wahrscheinlich nach irgendeiner nächtlichen Recherche erst jetzt wieder ins Büro zurück. Sie sah, wie er aus dem Mantel schlüpfte und ihn zusammengefaltet über die Stuhllehne legte. Sein Gesicht war ausdruckslos. Aus irgendeinem Grund fand sie die Vorstellung, dass Marcus spätnachts durch Londons Straßen strich, unheimlich. Wahrscheinlich hatte sie einfach nur etwas gegen ihn, weil seine vielen Arbeitsstunden sie so aufregten.
In den letzten beiden Wochen hatte Cynthia sich richtig in die Arbeit gestürzt. Sie war fest entschlossen, ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen, um ihre Chancen auf eine Beförderung zu verbessern. Aber egal, wann sie kam, er war immer schon da. Und egal,
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