Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)
stummen Hörer noch am Ohr. Nachdenklich legte sie ihn zurück auf die Gabel. Als wenige Minuten später das Telefon klingelte, nahm sie sofort ab.
»Hallo.« Es war Nick. Im Hintergrund lärmte der Straßenverkehr. Zunächst dachte sie, er habe nur das Revier verlassen, um sie anzurufen. Doch dann hörte sie das Klirren von Münzen. Er rief von einer Telefonzelle aus an. Egal, was er ihr erzählen wollte – der Anruf sollte nicht auf seinem Einzelverbindungsnachweis auftauchen. »Hör zu, meine Chefs wollen nicht, dass wir schon mit der Presse reden, aber du hast recht: Abgemacht ist abgemacht. Außerdem bin ich der Meinung, dass die Öffentlichkeit gewarnt werden sollte …« Er schwieg, und sie hörte das Klicken eines Feuerzeugs, ein scharfes Ein- und dann ein langes Ausatmen. Interessant! Nick rauchte nur, wenn er abends ausging oder unter Stress stand. »Du hast recht. Sieht ganz so aus, als wäre da ein Serienmörder am Werk. Ich nehme an, das mit den Haaren weißt du schon? Hast du deswegen eine Verbindung zwischen Lisa Reed und Mary Davies hergestellt?«
»Was … Du meinst, weil alle Opfer blond sind?«
»Nein«, sagte Nick. »Das meine ich nicht.« Eine lange Pause entstand. »Gut. Ich werde dir jetzt etwas erzählen, das strikt vertraulich ist. Es darf auf keinen Fall veröffentlicht werden. Kann ich mich darauf verlassen?«
Cynthia legte ihren Stift weg und sagte: »Ich gebe dir mein Wort darauf.«
Nick holte tief Luft. Noch mehr Münzen. Klirr, klirr . »Alle drei Opfer wurden mit einer Frisur aufgefunden, die man meinen Kolleginnen zufolge französischer Zopf nennt. Aber keines von ihnen ist so aus dem Haus gegangen. Mary Davies, das erste Opfer, trug einen Pferdeschwanz, bevor sie ermordet wurde. Lisa Reed und Phoebe Albertson hatten ihr Haar mit einer Spange zurückgesteckt. Entweder die Opfer haben mitten in der Nacht beschlossen, ihre Frisur zu ändern, oder aber der Mörder hat das für sie erledigt.«
Cynthia wurde fast schwindelig vor Aufregung. Sie dachte an die Beamten am ersten Tatort zurück. Daran wie der Polizist seine Finger über seinem Kopf hin und her bewegt hatte: Er hatte einen imaginären Zopf geflochten. Wir können nur beten, dass es Zufall ist .
Nur war es leider kein Zufall. Sie griff erneut zu ihrem Stift. Das Detail mit dem Flechtzopf wäre das Tüpfelchen auf dem i, aber sie konnte den Artikel auch ohne das groß aufziehen: Es genügte, zu enthüllen, dass ein Serienmörder, der es auf langhaarige Blondinen abgesehen hatte, in London sein Unwesen trieb. Titelseite, ich komme!, dachte Cynthia.
»Und wie laufen die Ermittlungen?«, fragte sie. »Gibt es irgendwelche Verdächtige?«
Die Antwort war nur ein Seufzen.
»Ich nehme an, das heißt Nein. Gibt es irgendwelche Spuren?«
»Oh, die gibt es haufenweise: Hautproben, Haarproben, alles, was du willst. Aber was es nicht gibt, sind Übereinstimmungen mit unserer PDB.«
»Wie bitte?«
»Mit der landesweiten Polizeidatenbank. Wer auch immer der Täter ist – er ist nicht vorbestraft. Bis wir also einen Verdächtigen haben, gibt es niemanden, mit dem wir die DNA-Proben vergleichen können.«
Klirr, klirr, klirr.
»Hm.« Cynthias Stift flog über ihr Notizbuch. »Und wie ermittelt die Polizei einstweilen?«
»Derzeit gehen zwei Constables sämtliche Überwachungsbänder von Westbourne Park und Ladbroke Grove durch. Es kann sich also höchstens um ein paar Jahre handeln, bis wir mehr wissen. Wenn es ihnen gelingt, ein verdächtiges Fahrzeug aufzuspüren, haben wir wenigstens einen Anhaltspunkt. Ansonsten müssen wir warten, bis der Mörder erneut zuschlägt.«
Cynthias Hand mit dem Stift erstarrte. »Du … du glaubst also, er wird wieder zuschlagen?«
»Worauf du dich verlassen kannst.« Seine Stimme war harsch.
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Drei Millionen Briten
schwören dem Schlaf ab
von Marcus Grimsby
Mehr als drei Millionen Briten nehmen das umstrittene Anti-Schlaf-Mittel 24/7, so die Website des Internethändlers Stay Up gestern.
Die wachsende Beliebtheit des Medikaments hat Beunruhigung bei Ärzten und Entsetzen bei Eltern ausgelöst. »Meine siebzehnjährige Tochter hat mich gebeten, ihr Geld für diese Pillen zu leihen, damit sie die Nacht aufbleiben und lernen kann«, so Stella Garnett, Organisatorin einer dreitätigen Protestaktion vor dem Westminsterpalast, die erreichen will, dass das Medikament verboten wird. »Warum legt die Regierung diesen Dealern nicht das Handwerk?« Ärzte sagen eine Welle von
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