Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)
auszuprobieren.«
»Ja«, sagte Cynthia nachdenklich. »Ich würde sagen, die Shifter haben ihr Aushängeschild gefunden.«
»Also, wenn der Fanclub irgendwann Poster von ihm druckt, hole ich mir auch eins für mein Schlafzimmer.«
»Ich fürchte, du hast nicht richtig zugehört«, sagte Cynthia mit einem schiefen Lächeln. »Wozu brauchst du noch ein Schlafzimmer?«
20
24/7 – mit den Augen einer Frau
von Camilla Hughes
Jeder, der nicht gerade auf einer Forschungsstation in der Antarktis lebt und nur von Pinguinen umgeben ist, dürfte inzwischen von 24/7 gehört haben.
Als das Anti-Schlaf-Mittel vor mehr als fünf Monaten im Cyberspace auftauchte, haben es die Ärzte landesweit unisono verdammt und die Bevölkerung mit eindringlichen Warnungen bombardiert.
Aber letzte Woche versetzte der Neurologe Jim Livington dieser Einheitsfront einen empfindlichen Schlag.
Auch ich war unter den Millionen Zuschauern, die seine Pressekonferenz im Fernsehen gesehen haben. Und es lässt sich nicht leugnen: Es war beeindruckend.
Ich weiß genau, was jetzt viele denken – nämlich dass der verschärfte Sex-Appeal des Redners die Kolumnistin unzulässig beeinflusst hat. Nun ja, gut möglich.
Aber auch die Wucht seiner Argumente hat mich überzeugt. Zum ersten Mal erlebte ich, wie jemand 24/7 vernunftbetont verteidigt hat. Die Wirkung, die das auf mich hatte, war tiefgreifend: Ich fing an, mir ein Leben ohne Schlaf vorzustellen. Und je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr kam es mir vor wie ein Sechserim Lotto – nur mit Zeit als Hauptgewinn. Ich malte mir aus, wie ich sie verbringen würde. All die Bücher, die ich lesen, und Schuhe, die ich sortieren könnte! Keine unerledigte To-do-Liste mehr an meinem Kühlschrank, die mir Angst oder ein schlechtes Gewissen einflößt. Bei der Menge zusätzlicher Stunden wäre sie im Nu geschrumpft und schließlich verschwunden, um Platz für wunderbare neue Projekte zu machen: Ich könnte Klavierstunden nehmen, Japanisch lernen, einen Roman schreiben. Offensichtlich hat mir der Schlaf jahrelang im Weg gestanden und verhindert, dass ich die mehrsprachige Bestseller schreibende Konzertpianistin wurde, die ich eigentlich bin.
Um der Prinzipien der journalistischen Recherche und der philosophischen Aufklärung willen habe ich ein paar von diesen Kapseln bestellt. Und heute Morgen erstmals eine genommen. Danke, Mr Livington: Sie haben mir eine wertvolle Lektion in Sachen Angst und Wandlungsfähigkeit, Vorurteile und Fortschritt erteilt. Vielleicht kann ich mich ja revanchieren, indem ich Ihnen zeige, wie ein von Schlaf befreiter Mann trotzdem noch gewinnbringend Zeit in seinem Bett verbringen kann.«
»Du musst damit aufhören, jeden Tag anzurufen«, sagte Nick, dessen Stimme in einem Husten unterging. »Sonst denken die Kollegen noch, ich hätte eine Affäre.«
»Alles in Ordnung, Nick?« Cynthia hielt sich ihr freies Ohr zu, um den Lärm im Redaktionsraum auszublenden. »Du klingst ein bisschen … mitgenommen.«
Er seufzte. »Ich habe eine anstrengende Nacht hinter mir und war noch gar nicht zu Hause.«
Cynthia wurde hellhörig. Sie schlug eine neue Seite in ihrem Notizblock auf und strich sie glatt. »Warum? Wasist los? Gibt es einen Durchbruch im Fall des Barbie-Killers?«
»Von wegen!«, sagte Nick verbittert. Eine Pause entstand. »Nein, es gibt ein weiteres Opfer. Damit wären es schon fünf.«
Cynthia schloss kurz die Augen. »Dieselbe Vorgehensweise?«
»Ja. Eine sechsundzwanzigjährige Frau wurde erwürgt in den Meanwhile Gardens unweit von Ladbroke Grove aufgefunden. Eine anonyme Quelle bei der Polizei möchte eure Leserinnen darauf hinweisen, dass hochgewachsene Frauen mit langen blonden Haaren spätnachts möglichst nicht allein herumlaufen sollten.«
Cynthia berührte automatisch ihre Haare. »Weißt du ihren Namen?«
»Ja. Moira Yates. Ich maile dir gerade ihr Führerscheinfoto.« Alles Leben war aus seiner Stimme gewichen. Als hätte er eine Schlacht verloren.
»Danke.« Cynthia zögerte. »Bist du sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist?«
»Ja, ich bin bloß müde.«
»Gibt es irgendeine neue Spur?«
Er lachte freudlos. »Die offizielle Variante lautet: kein Kommentar, die Ermittlungen laufen noch. Und die inoffizielle: Nada. Niente. Null. Aus den Orten, an denen die Leichen abgelegt wurden, lässt sich kein Muster ableiten, nichts weist darauf hin, ob die Frauen an Ort und Stelle getötet wurden, und von den üblichen Spinnern und verwirrten alten
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