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Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)

Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition)

Titel: Du sollst nicht schlafen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Parsons
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und zeigte auf die Mitte der Pyramide. »Ist das der richtige Farbton für vier Wochen?«
    Cynthia musterte verstohlen ihr Gesicht. Weder Augenringe noch Spuren eines Concealers: eine Schläferin.
    Die Verkäuferin schwebte zu ihr. Sie trug eine rosa Uniform und pastellfarbenes Make-up. »Nein, das ist für sechs Wochen«, sagte sie, drehte das Döschen um und zeigte auf das Etikett. Sie nahm einen helleren Farbton aus der Pyramide. »Versuchen Sie es mal mit dem hier. Er heißt Early Days : drei bis fünf Wochen.«
    »Sieht das auch wirklich echt aus?«, fragte die Kundin besorgt und nahm das Döschen entgegen. »Es bringt mir nur was, wenn es vollkommen natürlich wirkt.«
    Die Verkäuferin nickte lächelnd. Cynthia versuchte nicht hinzustarren, als Early Days abkassiert und bezahlt wurde.Ihr Blick schweifte über die Gesichter, die sich vor der Pyramide drängten. Etwas mehr als die Hälfte der Londoner Bevölkerung nahm jetzt 24/7, aber nur wenige der Frauen hier wiesen die verräterischen Schatten unter den Augen auf. Das bedeutete, dass die neue Produktlinie von Hot Hues mehr war als nur ein Modetrend: Sie diente der Camouflage. Schläfer gaben sich mit Hilfe von Make-up als Shifter aus. Vielleicht wegen ihrer Freunde oder Partner, die bereits Shifter waren. Oder aber um Karriere zu machen.
    Keine Schläfer , hatte es in der Stellenanzeige geheißen.
    Sie musste an Rocky denken, an seine ablehnende Haltung ihren Themenvorschlägen gegenüber. Und an Marcus, der es anscheinend mit jedem Artikel auf die Titelseite schaffte. Sie nahm einen der Applikatoren von der Theke und starrte auf den Early-Days -Tester vor ihr. Es konnte schließlich nicht schaden, ihn mal auszuprobieren. Sie trug etwas Puder in einem halbkreisförmigen Bogen unter jedem Auge auf und betrachtete sich blinzelnd im Spiegel. Der cremige Puder hatte einen lila Schatten über ihren rosigen Wangen hinterlassen. Die Wirkung war überzeugend: Sie sah ganz erschöpft aus. Cynthia griff nach dem hellsten Farbton. » New Beginnings – ein bis drei Wochen« stand auf dem Etikett. Cynthia drehte das Döschen in der Hand. Erwog sie ernsthaft, eine Lüge zu leben? Make-up zu benutzen, um sich als jemand auszugeben, der sie nicht war? Absurd! Kopfschüttelnd legte sie das Döschen zurück auf die Theke. Sie wollte schon gehen, als ihr etwas einfiel. Mit Hilfe des Makeups konnte sie die wachsende Kluft zwischen Shiftern und Schläfern aufdecken. Sie konnte verdeckt recherchieren und aus erster Hand über das Leben auf beiden Seiten berichten, enthüllen, welchen Diskriminierungen Schläfer mittlerweile ausgesetzt waren. Das war genau die Sorte Storys, für die es Journalistenpreise gab. Die Wahrscheinlichkeit war gering,aber vielleicht würden ihre Erkenntnisse Rocky nachdenklich machen, wenn sie ihm schließlich den fertigen Artikel hinlegte.
    Die rosafarbene Verkäuferin bewegte sich elfengleich an ihr vorbei und warf einen Blick auf das New-Beginnings -Döschen, das Cynthia erneut in der Hand wog. »Nehmen Sie das?«, fragte sie mit einem professionellen Lächeln. Die Ringe unter ihren Augen waren dunkelblau. Schwer zu sagen, ob sie echt waren oder nicht.
    »Ja«, sagte Cynthia und griff nach ihrem Portemonnaie. »Ich denke schon.«
    Rocky hörte ihr gar nicht zu. Er starrte wie gebannt auf die brandneuen malvenfarbenen Ringe unter ihren Augen und wippte mit seinem Stuhl vor und zurück. Sie kannte diese Marotte, das machte er immer, wenn er neue Informationen verarbeitete.
    Sie ließ sich nicht beirren, sondern redete weiter. »… habe in letzter Zeit immer mehr das Gefühl, nur Storys zu bekommen, bei denen ich meine eigentlichen Stärken nicht ausspielen kann.« Der Stuhl wackelte weiter. Vor und zurück. Vor und zurück. Nachdem sie geendet hatte, entstand eine unangenehme Pause. »Und?«, fragte sie schließlich. »Was meinst du?«
    Der Stuhl kam zur Ruhe. »Entschuldige, Cynthia, könntest du das bitte noch mal wiederholen? Oder noch besser: Können wir später darüber reden? Ich möchte, dass du dich zuerst um das hier kümmerst.« Er reichte ihr ein Blatt Papier. »Das ist eine polizeiliche Pressemitteilung. Die neuesten Ermittlungsergebnisse zu diesem Schulbusunglück, über das du vor deinem Urlaub berichtet hast. Das bringen wir auf der Titelseite der Nachmittagsausgabe, ich brauche deinen Artikel also bis halb zwölf. Womit dir …« – er sah auf die Uhr – »… etwas mehr als zwei Stunden Zeit bleiben.«
    Sie blinzelte überrascht.

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