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Du stirbst nicht: Roman (German Edition)

Du stirbst nicht: Roman (German Edition)

Titel: Du stirbst nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Schmidt
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war so laut, dass einem davon der Schädel dröhnte. Begann nicht damals eine angehende Ärztin ihr Praktikum in der Ambulanzabteilung des Krankenhauses? Jetzt fliegt ihr das Gesicht wieder zu … Sie meinte, sich unsterblich in den Chef verliebt zu haben, der sie aber seltsamerweise floh wie der Teufel das Weihwasser. Dabei ließ er eigentlich kein Röckchen anbrennen. Verena? Verena hieß sie, in der Tat. Hatte eine kleine Tochter und wollte Gynäkologin werden wie ihre Schwester, in deren Sprechstunde sie damals ging, als sie mit Lissy schwanger war. Lissy kam schließlich als große blaue Wurst zur Welt, wog 4500 g, nachdem man Helene eine Woche zuvor beim Ultraschall in der Bezirksstadtklinik Untergewicht prophezeit und sie ziemlich rotzig des Rauchens bezichtigt hatte. Ach, eine Zigarette hätte sie jetzt gerne …
Sie kommt zu sich zurück, weil durch das geöffnete Fenster Zigarettenqualm ins Zimmer zieht. Die Flut der Gedanken verebbt, zieht sich zurück, als sie den Duft riecht. Da raucht doch einer Gauloises! Aber sich jetzt in den Rollstuhl zu hieven und zum Fenster zu fahren, fehlt ihr die Energie. Sie lässt sich einlullen. Benebeln.

Matthes teilt den Nebel. Er kommt heute früher als sonst. Helene wird auf der Stelle unruhig, liegt nicht gern im Bett, wenn Matthes kommt, aber hier ist sie ja eigentlich sicher … Oder?
Die Unruhe legt sich nicht. Matthes sieht sie an und lächelt. Ob sich sein Lächeln von ihrem unterscheidet? Ihres ist vermutlich öfter dabei, einzustürzen, während seines sich in Momenten des Verschwindens zu einem breiten, sehr fetten Grinsen wandelt.
Frauen und Männer.
Passen nicht zusammen.
Nun muss sie aber ein wirkliches Lächeln lächeln, das nicht zusammenfällt. Sie nimmt seine Hand und fühlt sich wohl. Die Unruhe scheint hinter dem Lächeln versackt zu sein, sie ist so plötzlich weg, wie sie aufgetreten ist.
Matthes freut sich, dass Helene seine rechte Hand mit ihrer linken festhält und streichelt. Wann hat sie das zum letzten Mal gemacht? Darüber will sie lieber nicht nachdenken müssen.
Sie sehen sich fest in die Augen. Seine dunkelbraune Iris verrät nichts. Trotzdem merkt sie, wie ihr die Sinne ganz vergehen wollen im Eintauchen in diese Farbe. Wie früher. Wie sehr viel früher, als an Trennung noch nicht zu denken gewesen war und sie turtelnd ihre Abende miteinander verbrachten. Die Tage waren dazu da gewesen, die Sehnsucht nacheinander aufzuschaukeln. Kam er nach Hause, war sie es oft genug, die über ihn herfiel, die Tür abschloss. Ihm die Kleider vom Leib riss, während die Kinder unten auf dem Spielplatz die Zeit ebenso vergaßen wie sie.
Seine dunkle Iris war ihr Platz unter Wasser gewesen. Unten, wo das Licht kaum noch hinlangte. Wenn er lag und an die Decke starrte, konnte sie nicht anders, als sich auf ihn zu setzen und ihm in die Augen zu schauen, und über kurz oder lang versank sie dann darin.
Ein fremd gewordenes Fühlen langt nach ihr.
Sie schließt die Augen, weil sie vor Rührung weinen wird. Sie merkt es und ärgert sich, dass sie Matthes an diesen Tränen nicht einfach teilhaben lassen kann.
Frauen und Männer passen wirklich nicht zusammen, sagt sie leise und langsam.
Ein spöttischer Spruch, der früher ihre Meinungsverschiedenheiten begleitete. Jetzt ist er aus der Peinlichkeit ihrer Heulerei hervorgekrochen und wirft sich hündisch Matthes zu Füßen.
Da hast du recht , sagt er. Tritt nicht nach ihm. Jagt ihn nicht fort.
Er lacht.
Wenig später hat er Helene in den Rollstuhl gesetzt. Sie fahren über die Stationsetage. Neben ihrem ist ein Zimmer mit Quarantäneschild, sie sieht es jetzt zum ersten Mal. Wundert sich, was auf der stroke unit Infektionen zu suchen haben. Eine Schwester mit Handschuhen und Mundschutz tritt heraus, aber ehe sie einen Blick hineinwerfen könnte, ist die Tür schon wieder geschlossen. Ihre Neugier steigt so heiß auf, dass sie die Gesichts- und Halsröte genau spürt.
Matthes hat sie beobachtet und feixt. Sie möchte schreien. Ist sie jetzt ein kleines Kind, dem man Sehnsüchte, Neugierde und Verbocktheiten einfach so ansieht? So wütend ist sie, dass sie ihn mit dem linken Bein zu treten versucht, er springt erschrocken zur Seite. Diese Mischung aus Wut und Scham hat ihr die Sprache verschlagen. Sie kann sie überhaupt nicht aufrufen. Die Sprache, das schlafende Tier … Jedes Wort muss sie hervorsuchen und im Stillen aussprechen, bevor sie es laut sagt. Aber jetzt ist alles fort, nur Konfusion im Kopf, selbst

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