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Du und Ich

Du und Ich

Titel: Du und Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niccolò Ammaniti
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den Schreibtisch und drehte Pirouetten zwischen Computer, Büchern und dem Kasten mit den Schildkröten und sang dabei die Nationalhymne. »Fratelli d’Italia, l’Ialia s’è desta.« Ein Satz, und ich hing am Bücherregal: »Dell’elmo di Scipio …« !
    Was tat ich bloß?
    »S’è cinta la te … sta.«
    Benutzte ich den Tod meiner Großmutter, um mir selbst aus der Klemme zu helfen?
    Nur ein Monster wie ich konnte sich so etwas Widerwärtiges ausdenken.
    »Schäm dich!«, schrie ich, warf mich aufs Bett und drückte mein Gesicht ins Kissen.
    Wie konnte ich mich bloß aus dieser Lüge befreien? Ich war doch kurz vorm Durchdrehen.
    Plötzlich sah ich den Keller vor mir.
    Dunkel. Einladend.
    Und vergessen.

 
3
    Im Keller war es schön warm. Es gab ein kleines Bad mit feuchten Flecken an den Wänden. Die Wasserspülung funktionierte nicht, doch wenn ich im Waschbecken einen Eimer volllaufen ließ, konnte ich damit die Toilette leeren.
    Den Rest des Vormittags verbrachte ich auf dem Bett mit der Lektüre von Stephen Kings Brennen muss Salem und mit Schlafen. Zu Mittag verschlang ich eine halbe Tafel Schokolade.
    Ich war der Überlebende einer Alien-Invasion. Die menschliche Rasse war ausgerottet worden, und nur einigen wenigen war es gelungen, zu entkommen und sich in Kellergeschossen oder Souterrains von Wohnhäusern zu verstecken. Ich war der Letzte, der in Rom noch am Leben war. Bevor ich wieder nach draußen ging, musste ich warten, bis die Aliens auf ihren Planeten zurückkehrten. Und dies würde aus einem mir unbekannten Grund in einer Woche geschehen.
    Ich zog die Kleider und zwei Dosen Selbstbräunungsspray aus dem Rucksack, setzte meine Sonnenbrille und die Mütze auf und sprühte mir das Zeug auf Gesicht und Hände.
    Ganz schmierig kletterte ich dann auf eine Kommode und legte das Handy aufs Fensterbrett, wo es zwei Striche hatte.
    Ich machte ein Glas mit Artischockenherzen auf und holte fünf Stück heraus.
    Ja, das waren Ferien, ganz was anderes als in Cortina.
    Das Klingeln des Handys weckte mich aus einem traumlosen Schlaf. Der Keller war dunkel. Tastend fand ich das Handy und versuchte, während ich auf einem Karton schwankte, mit klarer Stimme zu sprechen. »Mama!«
    »Na, wie läuft es?«
    »Sehr gut!«
    »Wo bist du?«
    Wie spät war es? Ich schaute auf das Display des Handys. Halb neun. Ich hatte ganz schön lange geschlafen.
    »In einer Pizzeria.«
    »Ah … In welcher denn?«
    »In der am Corso …« Ich konnte mich nicht an den Namen der Pizzeria erinnern, wo wir immer mit Oma essen gegangen waren.
    »La Pedavena?«
    »Genau.«
    »Wie war die Fahrt?«
    »Ohne Probleme.«
    »Und wie ist das Wetter?«
    »Klasse …« Vielleicht übertrieb ich. »Gut. Nicht schlecht.«
    »Schnee?«
    Wie viel Schnee lag wohl? »Ein bisschen.«
    »Ist alles in Ordnung? Du klingst so komisch.«
    »Nein, nein. Alles in Ordnung.«
    »Gib mir mal die Mutter von Alessia, damit ich ihr Hallo sagen kann.«
    »Sie ist nicht da. Wir sind alleine hier. Die Mutter von Alessia ist im Haus geblieben.«
    Stille. »Ah … Aber morgen rufe ich dich an, und du gibst sie mir. Andernfalls sag ihr, sie soll mich anrufen.«
    »Okay. Aber jetzt muss ich auflegen, die Pizza kommt.« Und an einen imaginären Kellner gewandt: »Für mich … Die mit Schinken ist für mich.«
    »In Ordnung. Wir telefonieren morgen. Und vergiss nicht, dich zu waschen.«
    »Ciao.«
    »Ciao, mein Schatz. Und viel Spaß.«
    Es war nicht schlecht gelaufen, ich hatte es hinbekommen. Zufrieden machte ich die Playstation an und spielte ein bisschen Soul Reaver . Doch ich musste immerzu an den Anruf denken. Mama würde nicht aufgeben, ich kannte sie zu gut. Wenn sie nicht mit Alessias Mutter sprechen konnte, war ihr zuzutrauen, dass sie nach Cortina kam. Und wenn ich ihr erzählte, dass sich Signora Roncato beim Skilaufen ein Bein gebrochen habe und im Krankenhaus sei? Nein, ich musste mir etwas Besseres ausdenken. Aber im Moment fiel mir nichts ein.
    Der modrige Geruch wurde mir langsam unangenehm. Ich machte das Fenster auf. Mein Kopf passte gerade so zwischen den Gitterstäben durch.
    Der Garten der Barattieri war mit einem Teppich aus verfaulten Blättern bedeckt. Eine Straßenlampe verbreitete kaltes Licht. Es fiel auf das mit Efeu überwachsene Tor. Durch das Grün konnte ich den Hof erkennen. Der Mercedes meines Vaters war nicht da. Er musste zum Abendessen oder zum Bridge ausgegangen sein.
    Ich legte mich wieder ins Bett.
    Mama war drei Stockwerke über

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