Du wirst noch an mich denken
reduziert ihn zumindest erheblich. Im Grunde genommen gibt es der betreffenden Person die Verantwortung für sich selbst zurück. Durch die Verminderung des Verlangens nach der Droge und durch die Teilnahme an Therapiegruppen kann der auf Entzug befindliche Abhängige seinen Kokainkonsum steuern. Sie sehen also«, der Arzt steckte die Hände in die Taschen seines Kittels und wippte auf den Fußballen auf und ab, »wenn Ihr Bruder regelmäßig an der Therapie teilnimmt und das CBZ vorschriftsmäßig einnimmt, hat er eine wesentlich größere Chance, von seiner Sucht loszukommen als jemals zuvor.«
James schüttelte den Kopf, es fiel ihm schwer zu glauben, dass er zur Abwechslung einmal gute Neuigkeiten in Zusammenhang mit Pauls Drogenabhängigkeit zu hören bekam. »Klingt für mich nach einem Wunder«, sagte er und warf einen raschen Blick zu Bob, um zu sehen, wie der darauf reagierte. Dann streckte er die Hand aus. »Offen gestanden, zweifle ich noch daran, dass es funktioniert, aber trotzdem vielen Dank, Doc.«
»Keine Ur...« Sein Beeper ertönte, und der Arzt griff mit der Hand, die er James bereits entgegengestreckt hatte, in die Tasche, um ihn auszuschalten. »Tja, ich muss los.« Damit machte er auf dem Absatz kehrt und eilte mit großen Schritten und flatterndem Kittel den Gang hinunter. Gleich darauf war er verschwunden.
James und Bob wechselten einen ungläubigen Blick, und dann begannen sie beide wie auf Kommando zu grinsen. Sie öffneten die Tür zum Zimmer ihres Bruders und traten ein. Der Fernseher war eingeschaltet, und es lief gerade eine Sportsendung, aber Paul döste. Als James das Fernsehgerät ausschaltete, wachte er auf. »Hey«, sagte er heiser und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Er deutete mit einer matten Bewegung auf das Rolltischchen neben seinem Bett, auf dem außer einer Schachtel Kleenex ein Krug und ein Plastikbecher mit einem Strohhalm standen. »Kannst du mir bitte was zu trinken geben?«
Bob hielt ihm den Becher an den Mund. Die Anstrengung, Wasser durch den Strohhalm zu saugen, schien Paul völlig zu erschöpfen, und er ließ sich mit geschlossen Augen zurück in das Kissen sinken.
»Wir haben mit deinem Arzt gesprochen, Paul«, sagte James.
Paul öffnete die Augen und musterte seinen jüngeren Bruder mit einem raschen Blick. »O Mann, du siehst ja auch hübsch aus«, murmelte er. »Tut mir Leid, Jimmy.«
Er schloss erneut kurz die Augen, um sie gleich darauf wieder zu öffnen. »Hat euch der Doc von dem CBZ erzählt?«
»Ja. Klingt ziemlich gut, oder?«
»Zu gut, um wahr zu sein, aber er schwört, dass es funktioniert.« Paul merkte, dass seine Nase zu tropfen begann, und hob automatisch den Arm, um sie mit dem Handrücken abwischen, wurde jedoch von dem Infusionsschlauch daran gehindert. Bob zog ein Kleenex aus der Schachtel und gab es ihm. »Danke, Bobby«, sagte Paul und wischte sich damit über die Nase. »Ruft einer von euch am Montag für mich bei Willinger an und sagt ihm Bescheid, dass ich wahrscheinlich für den Rest der Woche ausfalle?«
»Klar.« James hatte nie aufgehört, sich darüber zu wundern, wie es Paul in den vergangenen siebzehn Jahren gelungen war, trotz seiner Drogensucht seine Stelle als Lagerist zu behalten. Er war sich nicht sicher, wie er es anstellte, ob er während der Arbeit clean blieb oder einfach nur schlau genug war, sich nicht beim Schnupfen auf dem Klo erwischen zu lassen. Aber Tatsache war, dass er es bis etwa Mitte des letzten Jahres geschafft hatte, von seinem Lohn sowohl die Miete für das billige Zimmer, in dem er wohnte, zu bezahlen als auch seinen steigenden Kokainkonsum zu finanzieren. Doch dann war ihm die Sache allmählich aus der Hand geglitten, und er hatte angefangen zu klauen. Nur ein unglaubliches Glück hatte ihn bis jetzt vor dem Gefängnis bewahrt.
Aber jetzt bestand die Aussicht, dass sich das alles ändern würde.
Als sie Paul verließen, verspürte James beinahe so etwas wie Euphorie. Seine geschundenen Muskeln waren nicht mehr ganz so verspannt, und es fiel ihm nicht mehr jede Bewegung schwer. Außerdem klang die Prognose von Paul vielversprechend, was er niemals zu hoffen gewagt hätte. Letzten Endes verlief dieser Tag sehr viel erfreulicher, als es heute Morgen den Anschein gehabt hatte. Jetzt musste er nur noch Otis bitten, zusammen mit Bob seinen Jeep aus Terrace zu holen, da er sich nicht recht in der Lage fühlte, die Gangschaltung zu bedienen und ihn selbst nach Hause zu fahren. Dann
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