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Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist

Titel: Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Cameron Stefanie Kremer
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machen. Ich weiß genau, was Sie als Nächstes sagen. Ich könnte zu Hause bleiben und unsere Unterhaltung dort führen.»
    «Wieso sind Sie dann hier? Wieso vergeuden Sie Ihre Zeit? Meine Zeit?»
    «Ich weiß auch nicht. Wahrscheinlich, weil meine Eltern wollten, dass ich hierherkomme. Auf diese Art versuchen sie, mir zu helfen, und ich wollte, dass sie das glauben.»
    «Was glauben?»
    «Dass sie mir helfen.»
    «Dann glauben Sie also nicht, dass Ihnen das hier helfen wird?»
    «Das habe ich nicht gesagt.»
    «Ich weiß. Aber Sie haben es angedeutet. Zumindest denke ich das. Und deshalb habe ich Sie gefragt.»
    Ich sah mich in der Praxis um. Ich weiß, das klingt schrecklich, aber es war alles so mittelmäßig, so berechenbar, dass ich mich ganz mutlos fühlte. Es war, als gäbe es einen Katalog für Therapeuten, aus dem man eine komplette Praxis bestellen konnte: Möbel, Bodenbeläge, Wandteppiche, selbst der Ficus wirkte auf deprimierende Weise berufsspezifisch. Wie eine von diesen kleinen Papierkugeln, die man ins Wasser legt und die aufquellen und sich in eine Lotusblüte verwandeln. Das hier war wie die aufgequollene Praxis eines Seelenklempners.
    «Woher soll ich denn wissen, ob mir das hier hilft? Das ist ja so, als würde man jemanden, der durch den Ärmelkanal schwimmt, fragen, ob er die andere Seite erreicht. Das kann er einfach nicht wissen.»
    «Ja, aber er kann daran glauben , dass er die andere Seite erreicht. Wieso hätte er sich sonst auf den Weg machen sollen? Niemand würde versuchen, durch den Ärmelkanal zu schwimmen, wenn er überzeugt wäre, es nicht zu schaffen.»
    «Möglich wäre es schon», sagte ich.
    «Tatsächlich? Wieso?»
    «Ich kann es nicht fassen, dass wir über Leute sprechen, die durch den Ärmelkanal schwimmen.»
    «Dieser Vergleich stammt von Ihnen.»
    «Das weiß ich. Ich glaube nur nicht, dass man so genau darauf eingehen muss.»
    Sie schloss kurz die Augen und sagte dann:«Was glauben Sie, weshalb haben Sie diesen Vergleich benutzt?»
    Ich zuckte die Achseln.«Weiß ich nicht», sagte ich.
    «Nun, denken Sie nach», sagte sie.«Wieso der Ärmelkanal?»
    «Weil ich es als eine Art Herkulesaufgabe betrachte, nicht traurig zu sein.»
    «Ja, aber es gibt jede Menge Aufgaben, die man als Herkulesaufgabe ansehen könnte. Herkules bewältigte schließlich sieben Aufgaben. Warum, glauben Sie, haben Sie den Ärmelkanal gewählt?»
    Ich war mir ziemlich sicher, dass Herkules mehr als sieben Aufgaben bewältigt hatte (später schlug ich es nach, und ich hatte recht: Es waren zwölf), aber ich beschloss, ihr das durchgehen zu lassen.«Ich weiß nicht», sagte ich.«Es ist irgendwie altmodisch. So was machen die Leute eigentlich nicht mehr. Und wahrscheinlich unterscheiden sich England und Frankreich in meinen Augen so sehr, so vollkommen, wie die Traurigkeit und das Glücklichsein.»
    «Welches von beiden ist traurig und welches glücklich?»
    Diese Frage fand ich ganz besonders dumm, doch ich nahm mir vor, keinen Widerstand mehr zu leisten. Es erschien mir leichter, einfach mitzumachen.«Nun, ich nehme an, England ist das traurige Land, aber nur, weil ich mir vorstelle, dass die Leute von England nach Frankreich schwimmen, und nicht umgekehrt. Aber die Franzosen sind wohl wirklich glücklicher, oder zumindest denke ich mir das, bei dem ganzen guten Essen und dem Wetter und der Mode.»
    «Macht denn das die Menschen glücklich: das Essen und die Mode und das Wetter?»
    «Nein», sagte ich.«Es ist genau andersherum. Glückliche Menschen kochen gutes Essen und machen schöne Kleider. Wenn man glücklich ist, will man kein Pökelfleisch oder Haggis essen. Wenn man glücklich ist, will man Kleider anziehen, in denen man gut aussieht, keine derben Schuhe oder Wollsachen. Ich glaube nicht, dass die Stimmung das Wetter beeinflusst, aber vielleicht ja doch. Möglich wär’s.»
    Dr. Adler war einen Moment lang still und sagte dann:«Es überrascht mich, dass Sie, wie ich hörte, nicht gerne reden.»
    Ich weiß, sie meinte das als Ermutigung und nicht als Vorwurf, aber etwas hielt mich davon ab, entsprechend zu antworten.«Nun, so ist es aber», sagte ich.
    «Ich zweifle nicht daran», sagte sie.«Es überrascht mich nur. Sie wirken sehr redegewandt auf mich, und es sieht auch so aus, als würden Sie es genießen, zu reden.»
    «Das tue ich aber nicht», sagte ich, und ich hörte selbst, wie lächerlich bockig das klang.
    «Warum? Was genau gefällt Ihnen nicht am Reden?»
    «Ich weiß nicht»,

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