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Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist

Titel: Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Cameron Stefanie Kremer
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eine Schicklichkeitsregel verletzt hatte, von der ich nicht wusste, dass es sie gab.
    Meine Großmutter hängte das Geschirrtuch wieder auf und sagte:«Lass uns die Zukunft einstweilen vergessen - das ist so entmutigend. Es ist fast schon Zeit fürs Mittagessen, lass uns daran denken. Was hältst du von einem Eiersalat?»
    Den Eiersalat meiner Großmutter mochte ich schon immer. Sie gibt klein geschnittene Stückchen Butterbrot dazu. Alle anderen finden das offenbar widerlich, aber wir beide mögen es.
    «Von einem Eiersalat halte ich eine Menge», sagte ich.
    «Schön», sagte meine Großmutter.«Ich auch.»

7
    Mai 2003
    Dr. Adlers Praxis in Downtown war einladender als ihre Kammer im Medical Center, aber es war nicht die sonnendurchflutete Zuflucht, die ich mir vorgestellt hatte. Es war eine ziemlich kleine, dunkle Praxis in einer Reihe von, wie ich annahm, weiteren kleinen, dunklen Praxen im Erdgeschoss eines alten Wohnhauses auf der Tenth Street. Neben ihrem Schreibtisch und Stuhl gab es eine Couch, einen zweiten Stuhl, einen Ficus und ein paar folkloristisch wirkende Webarbeiten an der Wand. Und ein Bücherregal voll dröger Bücher. Ich wusste sofort, dass es alles Fachbücher waren, denn sie hatten alle Titel mit einem Doppelpunkt: Blablabla: Das Blablabla von Blablabla . Es gab ein Fenster, das vermutlich zu einem Lüftungsschacht hinausging, denn das Rattanrollo war auf eine Weise heruntergerollt, die darauf schließen ließ, dass es nie hochgezogen wurde. Die Wände waren in einem hellen Gelb gestrichen, in dem offenkundigen (doch vergeblichen) Versuch, den Raum«aufzuheitern».
    Dr. Adler saß auf ihrem Stuhl und wies mir den anderen Stuhl zu, worüber ich erleichtert war, denn ich hatte ganz sicher keine Lust, auf der Couch zu liegen. Ich hatte zu viele Filme von Woody Allen gesehen und Cartoons im New Yorker gelesen, um so etwas zu tun.
    Dieses Mal sah sie anders aus: nicht so abgehetzt, sondern fast schon elegant. Sie hatte die Haare hochgesteckt und trug ein ärmelloses Sommerkleid, das ihre ziemlich muskulösen Arme zeigte. Sie spielt bestimmt Tennis, dachte ich. Oder macht Kugelstoßen.
    Sie schlug die Beine übereinander und legte dann die Hände im Schoß zusammen, wobei sie mit den beiden Zeigefingern ein Türmchen formte. Sie lächelte mich an.«So», sagte sie.«Hier wären wir also wieder.»
    Ich wollte sie verbessern, denn wir waren ja nicht wieder hier , wir trafen uns wieder, aber da unser erstes Treffen an einem anderen Ort stattgefunden hatte, konnten wir kaum wieder hier sein. Aber ich wusste, wenn ich das sagte, käme es wieder zu einem solchen Schlagabtausch wie in der vorangegangenen Sitzung, und dazu war ich nicht aufgelegt. Also fragte ich:«Warum haben Sie keine Romane?»
    «Wie bitte?», fragte sie.
    Ich deutete mit dem Kinn auf das Bücherregal, das hinter ihr stand.«Mir ist aufgefallen, dass Sie in Ihrem Regal keine Romane haben. Ich habe mich nur gefragt, wieso.»
    Sie drehte sich um und musterte die Bücher, als hätte ich gelogen. Dann wandte sie sich wieder zu mir.«Warum fragen Sie das?», sagte sie.
    «Müssen Sie mich das fragen? Können Sie nicht einfach auf die Frage antworten?»
    «Das hier ist meine Praxis», sagte sie.«Hier arbeite ich. Hier stehen die Bücher, die mit meiner Arbeit zu tun haben.»
    «Und Romane haben nichts mit Ihrer Arbeit zu tun?»
    «Es steht Ihnen frei, diesen Schluss zu ziehen.»
    Ich sagte nichts mehr. Plötzlich war ich traurig. Ich wusste, dass ich renitent war, aber ich konnte nichts dagegen tun.
    Nach einem Augenblick sagte sie:«Außerdem irren Sie sich. Ich habe sehr wohl erzählende Literatur hier.»Sie drehte sich um und bückte sich, um vom untersten Bord ein Buch hervorzufischen, und dann drehte sie sich wieder zurück und zeigte es mir: Es war eine alte Scribner’s Taschenbuchausgabe von Zeit der Unschuld .«Das steht hier, damit ich was zu lesen habe», sagte sie.«Falls ein Patient nicht auftaucht oder zu spät kommt.»
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Irgendwie schämte ich mich, und ich war immer noch traurig und ohne jede Hoffnung.
    Dr. Adler stellte das Buch neben ihrem Stuhl auf den Boden, als sollte es weiterhin sichtbar bleiben, ja geradezu in unsere Sitzung einbezogen werden. Dann faltete sie die Hände im Schoß und sah mich an.
    «Haben Sie Trollope gelesen?», fragte ich.
    «Ich glaube nicht», sagte sie.«Obwohl es sein kann, dass ich auf dem College etwas von ihm gelesen habe.»
    «Was ist mit

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