Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist
die Art nicht, in der sie mich dirigierte.«Ich wusste, dass mich niemand erkennen würde, denn das Bild in der Zeitung war das Foto aus meinem Jahrbuch aus der Unterstufe, als ich mit langen Haaren herumexperimentierte. Ich muss zugeben, dass ich wirklich wie ein ziemlicher Außenseiter aussah.
Nach dem Frühstück ging ich in die National Gallery. Es gefällt mir, dass die National Gallery keinen Eintritt kostet. Man kann hineingehen und wieder heraus und wieder hinein. Wenn ich etwas so Wunderbares entdecke wie das (was so gut wie nie geschieht), versuche ich, es zu nutzen, daher ging ich bei der einen Tür heraus und an einem anderen Eingang wieder hinein, weil es sich so gut anfühlte, ein Museum zu betreten, ohne zu bezahlen. Jedenfalls verbrachte ich viel Zeit in dem Museum. Es war komisch, als wäre ich nie zuvor in einem Museum gewesen. Es war schon seltsam, dass man einfach so hineinspazieren und alle diese alten, schönen, wertvollen Gemälde betrachten konnte. Man konnte sie ganz aus der Nähe betrachten, ohne dass man durch irgendetwas von dem Bild getrennt wurde. Und ich ging ganz langsam herum, sah mir jedes Gemälde an, und ich fühlte, dass jedes etwas Wunderschönes besaß. Selbst die hässlichen Stillleben mit den toten Fischen oder erlegten Kaninchen oder die blutrünstigen sakralen Bilder, wenn man sich auf kleine Eckchen konzentrierte, auf einen einzigen Quadratzentimeter oder so, sah man die wunderbare Farbe, und ich dachte über den Unterschied zwischen diesen Räumen voller Gemälde und dem Dinner Theater nach und darüber, was für ein gutes, lebendiges Gefühl mir die Bilder vermittelten und wie sehr mich das Dinner Theater bedrückt hatte. Und auch, wenn ich wusste, dass es im Leben nicht um die Wahl zwischen der National Gallery und einem Dinner Theater geht, hatte ich das Gefühl, dass es auf gewisse Weise doch so war, dass es diese beiden Dinge nicht gleichzeitig geben konnte, denn wie konnte es in einer Welt, in der es diese Gemälde gab, die in diesen wundervollen Räumen hingen, in die jeder hineingehen konnte, um die Bilder zu sehen, wie konnte es da auch Fernsehmütter geben, die in einem schrecklichen Stück spielten, während die Leute ihnen zuschauten und Paprikahuhn dabei aßen? Vermutlich finden es die meisten Menschen ganz fabelhaft, dass die Welt so bunt ist, dass es für jeden etwas gibt, und ich weiß nicht, wieso ich so verschlossen und verbittert war und mich von den Dingen, die ich nicht mochte, so bedroht fühlte. Ich wusste, ich war total am Ende, und ich dachte: Außenseiter, Außenseiter .
Dann kam ich in einen kleinen Raum, in dem nur vier Bilder hingen, und ich erinnerte mich an diese Bilder vom letzten Mal, als ich in der National Gallery gewesen war, auf der Klassenfahrt nach Washington in der achten Klasse. Sie sind von Thomas Cole und heißen Die Reise des Lebens . Haben Sie die schon mal gesehen?«
«Nein», sagte sie.«Ich glaube nicht.»
«Das ist schade, denn es sind sehr gefühlsbetonte Bilder, kitschig, irgendwie dumm. Sie stellen die vier Lebensalter des Menschen dar: Kindheit, Jugend, Erwachsensein und Alter. Auf jedem Bild treibt eine Gestalt in einem Boot einen Fluss hinunter, während ein Engel ihr den Weg weist. Auf dem ersten Bild sitzt ein kleines Baby im Boot, und das Boot kommt aus einer dunklen Höhle heraus. Dem Mutterleib. Es ist früh am Morgen, und der Fluss fließt friedlich durch ein idyllisches Tal voller Blumen. Der Engel ist auch im Boot, er steht hinter dem Baby, und beide breiten die Arme aus, um die Welt vor ihnen zu umfangen. Auf dem Bild Jugend ist es Mittag, und das Boot ist tiefer in das wunderschöne Tal hineingefahren. Das Baby hat sich in einen jungen Burschen verwandelt, der aufrecht im Boot steht und der Zukunft die Hand entgegenstreckt. Der Engel schwebt über dem Ufer und weist den Weg wie ein Verkehrspolizist. Die Wolken formen in der Luft ein herrliches Schloss, mitten im blauen Himmel. Auf dem Erwachsenenbild ist aus dem Fluss ein reißender Strom geworden, und die Landschaft ist felsig und karg. Der Abend dämmert, und am ganzen Himmel ballen sich dunkle Sturmwolken. Der Jugendliche ist nun ein Mann, und noch immer steht er aufrecht im Boot, doch jetzt ringt er seine Hände im Gebet, während das Boot auf die Stromschnellen zusteuert. Der Engel ist weit weg, er blickt aus einem Wolkenloch hinab und sieht zu, wie das Boot vorwärtsschießt. Es ist richtig schaurig. Auf dem letzten Bild kommt das Boot von der
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