Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
flüstert er. »Uns ging es nicht gut. Wirklich nicht.«
Ich nicke. »Ich hasse es, dass ich mich nicht daran erinnern kann, was mit ihm passiert ist«, sage ich.
»Warum?«, fragt er ernst. »Es ist eine Gnade. Ich gäbe alles dafür, würde mir der Schmerz genommen. In der Zeit, als er krank war … das war nicht der wirkliche Brady. Nicht unsere wirkliche Familie. Wir haben die Chance auf einen Neubeginn bekommen, Sloane. Wir haben die Chance, wieder glücklich zu sein.«
»Dad, keiner von uns ist glücklich«, sage ich sanft, und Tränen laufen mir aus den Augen.
Er leugnet es nicht, versucht nicht einmal, so zu tun, als wäre alles in Ordnung bei uns. Stattdessen steht er auf, streicht mir über die Stirn und verlässt den Raum.
Als er fort ist, rolle ich mich auf dem Bett mit meinem Elend zusammen, allein und mit gebrochenem Herzen. Ich will wissen, was mit meinem Bruder geschehen ist, und ich will wissen, wie ich früher war. Aber am meisten wünsche ich mir, einfach nur glücklich zu sein.
Nach einer kurzen Selbstmitleidsorgie gehe ich in mein Zimmer. Ich habe Laceys Nummer auf meinen Notizblock gekritzelt. Kopfschmerzen pochen in meinem Schädel, und so schlucke ich erst einmal eine großzügig bemessene Dosis Schmerztabletten, bevor ich zu meinem Handy greife.
Lacey grinst von einem Ohr zum anderen, als sie um neun an der Straßenecke hält. »Du hast dich zu einer richtigen Rebellin entwickelt«, sagt sie, als ich in ihren neongrünen Käfer steige.
Fastfood-Tüten liegen zusammengeknüllt zu meinen Füßen, die Getränkehalter sind voll. Lacey trägt eine einfache gelbe Bluse, doch ihr Make-up ist dramatisch – sehr un-rückkehrerhaft. Es ist fantastisch.
»Bist du sicher, dass du ins Wellness Center willst?«, erkundigt sie sich. »Ich dachte, du hasst es.«
»Tue ich auch«, erwidere ich. »Aber mein Betreuer ist fort, und niemand beobachtet mich mehr. Vielleicht wird es mir diesmal ja Spaß machen.«
»Sloane«, sagt Lacey leise, »sie beobachten uns immer . Vergiss das niemals.«
Nach einer Weile stellt Lacey das Radio an, und ein Pop-Song, ein Liebeslied, erfüllt den Wagen mit seinen Klängen. Der Text ist so schmalzig, dass einem schlecht werden kann. Ich muss meine Finger fest miteinander verschränken, damit ich das Lied nicht ausstelle und Lacey alles von James und von meinem Bruder erzähle. Aber ich will sie nicht deprimieren.
Mein Handy vibriert beim Eingang einer neuen Nachricht, doch ich stelle nur das Radio lauter, statt die Botschaft zu lesen.
Das Wellness Center ist brechend voll, als wir hineingehen. Da die Popularität des »Programms« weltweit wächst, gibt es neue Anstrengungen zur Angleichung, wie ich auf MTV erfahren habe.
Betreuer säumen die Wände, doch die Leute hier lachen, es gibt einen neuen Bereich mit Spielcomputern, und um einen schart sich eine Gruppe von Jungen. Sie alle tragen adrette Kleidung, und als ich an mir herabblicke, wird mir klar, wie gut wir zusammenpassen. Als wäre es die Uniform der Rückkehrer.
Ich knöpfe meine Bluse bis zum BH auf und folge Lacey, die sich einen Weg zur Couch bahnt.
Ich kann es kaum glauben, dass ich tatsächlich hierher zurückgekehrt bin, vor allem, nachdem ich geschworen habe, hier nie mehr aufzukreuzen. Aber ich habe es zu Hause nicht mehr ausgehalten, und dies ist der einzige Ort, an dem Leute in meinem Alter herumhängen können. Zumindest der einzige Ort, an dem Leute wie ich herumhängen können, die sonst keine Freunde haben.
Lacey lässt sich in die Kissen fallen, sucht mit den Blicken den Raum ab, als hielte sie nach jemandem Ausschau.
»Wer ist er?«, frage ich und stupse sie mit dem Ellbogen an.
Unschuldig schaut sie mich an. »Keine Ahnung, was du meinst. Ich schwöre, ich schaue mich nicht nach dem Typ um, der versprochen hat, heute Abend hier zu sein.«
»Oh«, sage ich lächelnd, »dann werde ich also endlich deinen geheimnisvollen Freund kennenlernen?«
Lacey wendet sich mir zu. »Ich denke, es ist an der Zeit.« Ihr Gesichtsausdruck ist ernster, als ich erwartet habe, doch bevor ich ihr mehr Einzelheiten entlocken kann, erblicke ich aus den Augenwinkeln jemanden in einem schwarzen Hemd – eine schockierende Farbe, hier an diesem Ort. Es ist Liam.
»Ich bin gleich wieder da«, sage ich schnell und springe auf.
Liam schiebt sich durch die Menge und schlüpft dann durch die Tür, die hinaus zur hinteren Terrasse führt.
Die Nachtluft ist frisch, als ich hinaustrete. Liam steht am Geländer
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