Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
und sieht zum Parkplatz hin. Wir sind allein hier draußen. Ich möchte ihn etwas fragen, und zwar in Bezug auf jenen ersten Abend, nachdem ich zurückgekommen war. Woher er James und mich kennt.
»Hey«, sage ich und ziehe damit seine Aufmerksamkeit auf mich. Doch als er sich umdreht, erschrecke ich.
Dunkle Ringe liegen unter seinen Augen, sein Haar ist verfilzt. Ungewaschen. Es trifft mich wie ein Schlag. Er ist krank. O Gott! Er ist krank!
»Sloane.« Sein Mund verzerrt sich, Wut und Hass malen sich auf seinem Gesicht ab. »Haben sie dich herausgeschickt, um mich wegzuholen? Rekrutieren sie jetzt schon Rückkehrer?«
Mein Herz klopft heftig in meiner Brust, und die Angst, dass Liam gefährlich sein könnte, lässt mich langsam zur Tür zurückweichen.
»Niemand hat mich geschickt«, erwidere ich. »Ich wollte dich nur etwas fragen, aber das ist jetzt egal. War nicht so wichtig.«
Liam macht einen Satz, blockiert mit seiner Schulter die Tür, damit ich sie nicht öffnen kann.
Ich schnappe erschrocken nach Luft und trete zurück.
»Ich würde deine Frage zu gern hören«, sagt er. Sein Blick ist wild und unfokussiert.
»Ich möchte wieder hineingehen«, erkläre ich ruhig. »Wenn du mir Platz machst, werde ich dich nicht …«
»Wirst du was nicht? Mich verpetzen? Natürlich wirst du das tun.«
Er hat recht. Ich werde die erste Möglichkeit nutzen, um ihn zu melden. Er ist infiziert. Er kann andere anstecken. »Lass mich durch, Liam«, fordere ich ihn auf.
Er starrt mich an, dann beugt er sich vor, als wolle er mir ein Geheimnis zuflüstern. »Kannst du dich an mich erinnern?«, will er wissen.
»Ich erinnere mich daran, dass du mich einen Freak genannt hast.«
Er lächelt. »Davor.«
Mein Magen schnürt sich zusammen. »Nein.«
In ebendiesem Moment bewegt sich die Tür, doch Liam drückt mit seinem ganzen Gewicht dagegen, sodass sie sich nicht öffnen lässt.
Ich überlege, ob ich um Hilfe rufen oder wegrennen soll, aber gleichzeitig möchte ich diese Art von Aufmerksamkeit nicht auf mich ziehen.
»Wir sind miteinander ausgegangen«, erzählt er, und ein Hauch von Befriedigung schwingt in seiner Stimme mit. »Nichts Ernstes, aber sie haben dir die Erinnerung trotzdem weggenommen. Was haben sie dir noch gestohlen? Begreifst du denn nicht, was du bist? Leer! Du bist ein Nichts. Und ich wäre lieber tot als so wie du.«
Meine Lippen beginnen zu zittern. Scham erfüllt mich und das Gefühl der Demütigung. Aber mehr als das empfinde ich Zorn. Ich versuche ihn wegzuschubsen, aber ich erreiche nur, dass er kurz stolpert.
Liam lacht, dann hustet er und hält sich die Hand vor den Mund. Als er sie wieder wegzieht, sind seine Finger mit Blut beschmiert.
»Was ist los mit dir?«, frage ich und weiche zurück.
»QuikDeath«, sagt er. »Weil es keinen Zweck mehr hat. Wir werden niemals mehr frei von dem ›Programm‹ sein. Selbst wenn wir endlich volljährig sind – wer sagt uns, dass sie die Regeln nicht ändern? Dass sie uns in Ruhe lassen, wenn wir erwachsen sind? Mein Cousin …«, sagt Liam, und Tränen sammeln sich in seinen Augen. »Er hat sich gestern umgebracht. Er war einundzwanzig, Sloane. Das bedeutet, dass die Epidemie auch auf andere übergreift.«
»Oder vielleicht hat er nur Selbstmord begangen«, sage ich. Mein Magen ist wie verknotet. Fäuste hämmern auf der anderen Seite gegen die Tür, lassen sie erzittern.
Liam hustet erneut, spuckt Blut auf den Boden. Helles Rot fließt über seine Lippen. Er stirbt. Er wird sterben, wenn ich nichts unternehme.
Ich hole mein Handy hervor, doch Liam schlägt es mir aus der Hand, und es scheppert über den Holzboden.
Seine Augen rollen für einen Moment nach hinten, dann schaut er mich wieder an. Sein Körper zuckt. Und dann bricht er zusammen, fällt gegen die Tür, rutscht langsam an ihr zu Boden. Sein Blick hält meinen immer noch fest.
»Du bist gar nichts«, flüstert er, dann liegt er ganz still da.
Ich zögere nur eine Sekunde, mein Atem kommt in heftigen, schnellen Stößen. Die Tür erzittert erneut, und ich sage mir, dass ich nicht hier sein darf, wenn sie ihn finden. Ich darf mich nicht in diese Angelegenheit hineinziehen lassen. Also hebe ich schnell mein Handy auf, renne los, sprinte die Treppe hinunter, laufe auf den Parkplatz. Ich schicke Lacey eine Nachricht und schreibe ihr, dass ich bei ihrem Auto stehe. Wir müssen fort. Sofort.
Während ich warte, mich ducke, strömen Menschen auf die Terrasse. Betreuer schieben die Leute
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