Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
blickt er weg.
Ich weiß, dass ich ihn so nicht verlassen kann, und so löse ich meine Hand aus James’ Fingern. »Ich bin in einer Minute draußen bei dir«, sage ich.
James verengt seine blauen Augen, und in seinem Blick liegt so viel Misstrauen, dass ich fast davor zurückweiche. Doch dann nickt er und marschiert hinaus, stößt Realm dabei mit der Schulter an.
Realm lacht bitter auf. »War nett, dich kennenzulernen, Mr. Murphy.«
Als wir allein sind, trete ich auf Realm zu. Er schaut mich an, das Kinn trotzig vorgeschoben, doch in seinem Blick liegt fast so etwas wie Verzweiflung.
Und plötzlich werfe ich meine Arme um ihn.
Ein erstickter Aufschrei dringt über seine Lippen, als er mich fest an sich zieht. »Ich hab dich so vermisst«, flüstert er. »Ich habe versucht, für deine Sicherheit zu sorgen, Sloane. Und dann bin ausgerechnet ich derjenige, der dir wehtut. Ich hätte dir nicht von Brady erzählen sollen.«
Ich lehne mich zurück. »Ich will aber alles wissen«, erw idere ich. »Du musst mir alles erzählen. Ich verstehe nich t, warum mein Bruder sich umbringen wollte.«
Die Tränen drohen erneut zu fließen, und Realm legt eine Hand auf meine Wange. »Er war einfach nur krank. Es war nicht deine Schuld.«
»Warum haben sie mir dann die Erinnerung genommen?«
Realm schließt die Augen. »Ich kann dir das jetzt nicht erzählen, Süße. Ich habe eh schon so viel Mist gebaut. Ich muss … ich muss nachdenken. Du hättest das Foto nie finden dürfen.«
»Nein, ich musste es finden«, widerspreche ich.
»Ich will doch nur, dass du glücklich bist«, sagt er. »Ich schwöre, das ist alles, was ich möchte.« Er wirft einen vorsichtigen Blick durchs Fenster nach draußen, wo James im Auto sitzt, den Kopf gegen das Lenkrad gelehnt, als sei er es satt zu warten.
Realm atmet tief durch. »Du solltest jetzt gehen.« Er beugt sich vor und küsst mich auf die Wange, bleibt eine ganze Weile so stehen.
»Und was, wenn ich nicht gehe?«, frage ich in der Hoffnung, dass er mir dann mehr über meinen Bruder, meine Vergangenheit verraten wird.
Realm scheint über die Frage tatsächlich nachzudenken. »Es gibt so vieles, was du jetzt noch nicht verstehen kannst«, erklärt er dann. »Aber ich möchte, dass du weißt, dass ich nie etwas anderes wollte, als dass du gesund wirst. Glaubst du mir das?«
Ich nicke. »Natürlich.«
»Ich habe nur … ich liebe dich«, flüstert er, unfähig, mich anzusehen.
»Ich weiß.« Aber ich habe nicht die richtige Antwort für ihn. Im Moment bin ich vollkommen von Kummer erfüllt, fühle mich, als ob ich Brady gerade erst verloren habe, obwohl es doch schon so lange her ist. Und hier steht Realm, so voller Sehnsucht danach, mich zu lieben. Sich um mich zu kümmern. Die leeren Stellen in meinem Herzen auszufüllen.
Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und presse meine Lippen fest auf seine.
Realm reagiert sofort, überrascht mich, indem er mich an die Wand drückt und mich so hingebungsvoll küsst, als hätte er die ganze Zeit, seit ich hergekommen bin, nur darauf gewartet, dies zu tun.
Mein Herz klopft, doch was ich empfinde, ist Schuld. Als ob ich fürchterlich unfair bin. Ihm gegenüber. Mir selbst gegenüber. Ich wende mich ab, beende den Kuss und schmiege mich stattdessen an Realm.
Er lacht leise auf, umklammert mich fest. »Du erwiderst meine Liebe nicht«, stellt er fest.
»Nicht auf diese Weise. Aber vielleicht …«
»Vielleicht irgendwann?«, beendet er den Satz für mich. Realm wirkt müde. Vielleicht auch ein bisschen betrunken. »Du solltest jetzt gehen«, wiederholt er und führt mich hinaus auf die Veranda, den Blick zu Boden gesenkt. Und dann, ohne ein weiteres Wort, kehrt er ins Haus zurück und legt von innen den Riegel vor.
Ich stehe da, immer noch verwirrt von dem, was ich über meinen Bruder erfahren habe. Ich blicke zum Auto hin.
James beobachtet mich, dann macht er eine Bewegung, als wolle er fragen, ob ich okay bin, doch ich reagiere nicht darauf. Ich bin nicht okay.
Ich bin verdammt noch mal nicht okay.
10. Kapitel
Dunkelheit legt sich über die Felder, und wir haben bereits die Hälfte des Rückwegs zurückgelegt, als James mich endlich ansieht. »Hast du ihn zum Abschied geküsst?«, will er wissen.
»Was geht dich das an?«, frage ich. Ich schäme mich, auch wenn ich nicht verstehe, wieso. »Du hast es doch nicht mal ertragen, dass ich dich neulich in meinem Zimmer umarmt habe.«
»Mir ist es egal, mit wem du herumknutschst«,
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