Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
manche gibt es nicht einmal mehr. Das zu wissen, kann mir nur noch mehr Schmerz bringen. Mehr Qual.
Ich vermisse Realm, und ich bin froh, dass ich nicht wissen werde, was er lieber meinem Vergessen überlassen möchte. Auf diese Weise kann ich ihn für immer als Freund und als meinen Helden behalten. Das ist nicht falsch, oder?
Das ist die einzige Wahl.
Ich straffe mich und blicke zum Wagen, in dem James sitzt, der mich wie verrückt liebt. Mich so liebt, wie ich jetzt bin.
Wir werden Kevin und Lacey treffen und uns fortschleichen, irgendwo anders neu beginnen. Wir werden alles hinter uns lassen, unsere Eltern, unser Leben. Am allerwichtigsten aber ist, dass wir »Das Programm« hinter uns lassen werden.
Als ich zum Wagen zurückgehe, die Pille sicher in meiner Hosentasche, denke ich, dass Realm vielleicht unrecht gehabt hat. Dass James nicht der einzige Unruhestifter ist, der Einzige, der bereit ist, den Kampf aufzunehmen. Er ist nicht der Einzige, der kämpfen will.
Und mit diesem Gedanken setzt für mich ein neuer Anfang ein … Und ich denke, manchmal ist die Gegenwart die einzige Wirklichkeit.
EPILOG – ZWEI WOCHEN SPÄTER
Das Mädchen bleibt an der Tür zum Aufenthaltsraum stehen. Ihr Körper dröhnt noch von der letzten Dosis ihrer Medikamente, und misstrauisch betrachtet sie den Betreuer nahe der Tür.
Die Roseburg-Anstalt ist überfüllt und laut, und das Mädchen schluckt, wendet sich der Schwester zu, die neben ihr steht.
»Ich will in meinem Zimmer bleiben«, murmelt sie.
Schwester Kell lächelt. Mitleid liegt auf ihrem Gesicht, als sie dem Mädchen das blonde Haar hinter die Schulter streicht. »Warum versuchst du nicht, Freunde zu finden, Allison? Das ist gut für deine Genesung.«
»Was gut für meine Genesung wäre, wäre nach Hause zu kommen«, spottet Ally. Ihre Stimme ist laut, und einige Patienten und Betreuer blicken zu ihr hin.
Ally bemerkt einen Jungen an einem Tisch. In seinem Mund steckt eine Laugenstange wie eine Zigarre. Er starrt sie an.
»William«, sagt Schwester Kell leise, »ich glaube, ich brauche Unterstützung.« Ihre Stimme klingt barsch, und al s Ally bemerkt, dass sie dem Betreuer ein Zeichen macht, weicht sie zurück.
»Nein«, sagt Ally schnell. »Tut mir leid. Ich …«
»Da bist du ja, Süße«, sagt eine Stimme.
In dem Moment, als Ally sich zu ihm umdreht, nimmt er die Laugenstange aus dem Mund und hakt sich bei ihr ein. »Ich dachte, wir würden heute Karten spielen.«
Er macht die Augen weit auf, als wolle er ihr damit sagen, dass sie mitspielen soll. Ally wirft einen Blick auf Schwester Kell. Der Junge neben ihr räuspert sich, blickt den Betreuer drohend an, und William weicht zurück, hebt die Hände, beinahe so, als wolle er sich entschuldigen.
»Richtig«, erwidert Ally und nickt schnell, während ihre Finger seinen Arm fester umklammern. »Tut mir leid, dass ich so spät dran bin.«
»Ist schon okay.« Er grinst. »Aber jetzt hab ich etwas gut bei dir.« Er nickt der Krankenschwester zu, die nur die Augen verdreht, als würde er ständig solche Sachen machen. Dann zieht der Typ Ally auf den Tisch zu, an dem bereits zwei andere Jungen sitzen. Sie halten Karten in den Händen.
»Ich glaub’s nicht!«, ruft einer der Jungen. »Immer versuchst du Mädchen anzuschleppen, Realm.«
»Ja, ja«, erwidert Realm. »Aber sieh doch mal, wie hübsch die hier ist.« Er wendet sich um und zwinkert Ally zu, zieht einen Stuhl für sie heran.
Sie setzt sich, ihr Herz rast bei dem Gedanken, dass man sie erneut in die Isolation stecken könnte. Sie möchte nach Hause zurück, doch das scheint nicht möglich zu sein. Aber dieser Typ … der scheint ja gut zurechtzukommen. Wahrscheinlich ist es von Vorteil, jemanden wie ihn hier zu kennen.
Ally betrachtet ihn genauer. Er hat blond gefärbtes Haar, das seine helle Haut noch ein bisschen blasser wirken lässt. Seine Augen sind von einem dunklen Braun und wirken ausgesprochen freundlich. Er ist süß – obwohl sie an einem Ort wie diesem wirklich nicht auf so etwas achten sollte. An seinem Hals bemerkt sie eine gezackte rosa Narbe, verheilt, aber immer noch dramatisch.
»Was spielt ihr?«, erkundigt sie sich.
»Bullshit«, antwortet Realm. »Kennst du es?«
»Nein.« Ally schüttelt den Kopf.
»Hmm …« Er schaut die Jungen an. »Wie wär’s mit ›Asshole‹?«
Ally lächelt, als sie sich daran erinnert, wie sie das Spiel im letzten Sommer der kleinen Schwester ihrer besten Freundin beigebracht hat. Dem
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