Du zahlst den Preis fuer mein Leben
es geschworen.«
»Aber warum?«
Kali antwortete nicht mehr.
14
Nica konnte es kaum erwarten, endlich wieder zurückzufliegen. Am liebsten wäre sie in den nächsten Flieger gestiegen. Nur der Mutter zuliebe, die die weite Reise auf ihren Wunsch hin gemacht hatte, nahm sie an Ausflügen teil, besichtigte Ausstellungen in Museen und probierte neue Restaurants aus.
Endlich zu Hause angekommen, stellte Nica ihren Koffer in der unteren Wohnung ab und rannte nach oben. Kali öffnete ihr die Tür und hielt sie am Arm fest, als sie an ihm vorbeistürmen wollte.
»Mach jetzt keinen Stress«, zischte er. »Ich habe Bapak und Ibu nicht erzählt, dass ihr in Banda Aceh wart. Er …«
»Eure Harmonie ist mir so was von scheißegal! Ich will jetzt wissen, was los ist. Ihr habt uns belogen!«
Ibu und Bapak saßen am Tisch beim Essen. Ibu strahlte vor Freude, als sie Nica sah. Auch Bapak schien sich zu freuen, dass sie wieder da war.
Ohne jede Begrüßung legte Nica das Foto von Riani auf den Tisch. Ibu und Bapak warfen nur einen kurzen Blick darauf. In Ibus Augen kroch das Entsetzen, das Lächeln flog von Bapaks Gesicht. Er nahm das Bild an sich und zerriss es.
Nica wusste, dass er ihr das nie verzeihen würde. Sie hatte in seinen Augen die schlimmste Sünde begangen, die es gab: Sie hatte die
sakinah
, die nach außen sorgfältig aufrechterhaltene Harmonie dieser Familie zerstört und durch ihr neugieriges Verhalten nicht nur sein Verbot missachtet. Die Wahrheit über Riani ließ ihn auch sein Gesicht verlieren.
Seine ewige Antwort auf ihre Fragen: »Kein Problem, kein Problem, das wird sich alles regeln. Sie kommt später«, hatte sich als Lüge erwiesen. Wie sollte Riani kommen, wenn sie verheiratet war? Er hatte die ganze Zeit gelogen, sie alle hatten gelogen!
Ibu weinte. »Wie geht es ihr?«, flüsterte sie.
»Sie ist nicht glücklich!«
»Es ist nicht ihre Aufgabe, glücklich zu sein. Sie hat ihre Pflicht gegenüber der Familie zu erfüllen und das hat sie getan. Darum sind wir glücklich über sie«, sagte Bapak unwirsch.
»Sie wollte doch Lehrerin werden. Sie war die Beste in der Klasse.«
»Pah. Lehrerin. Das sind Vorstellungen für Mädchen hier bei euch. Bei uns sind die Frauen anders.
Kodrat vanita:
Ehefrau und Mutter, das ist die natürliche Bestimmung der Frau.«
»Sie liebt ihn nicht.«
»Das wird auch nicht von ihr erwartet. Schließlich ist die Ehe eine Arbeitsgemeinschaft.«
»Nica hat recht. Riani hatte so viele Träume.« Zum ersten Mal mischte sich Kali in das Gespräch ein.
Bapak lächelte. Auch jetzt noch hielt er die Fassade des
basa-basi
, des Lächelns um jeden Preis, aufrecht. Aber in seinen Augen stand der unterdrückte Zorn. »Träume, die hatten wir alle. Sie ist meine Tochter und sie hatte zu gehorchen. Ungehorsame Töchter sind
kualat
, verflucht.«
»Sie ist deine Tochter, aber nicht dein Besitz!« Nica wusste, dass sie mit jedem weiteren Wort ihren Platz in dieser Familie, die ihr noch immer so viel bedeutete, riskierte.
Ibu schaute fassungslos zu ihr. »Nica, was ist auf einmal los mit dir? Wo bleibt dein Respekt? Wie kannst du so mit Bapak sprechen?«
»Wusstet ihr, dass Rianis Mann drei Frauen hat? Sie ist die dritte!« Nica war immer noch so entsetzt wie an dem Tag, als Riani ihr davon erzählt hatte.
»Bei uns ist Polygamie erlaubt. Eine Frau, zwei Frauen, bis zu vier Frauen sind laut Koran erlaubt. Wenn eine Frau Mitte zwanzig ist, gilt sie als alt und der Mann nimmt eine neue Frau«, erklärte Bapak, als wäre es das Natürlichste der Welt.
»Für eine Frau ist das aber schrecklich, oder Ibu? Was sagst du?« Nica schaute Ibu an, die den Kopf zur Seite drehte und schwieg.
»Das ist eben unsere Tradition«, sagte Bapak an ihrer Stelle. »Nicht alles ist schlecht, nur weil es Tradition ist. Außerdem muss die erste Frau einverstanden sein. Die Frauen wissen, dass der Mann mehrere Frauen haben kann. Sie wissen, auf was sie sich einlassen.«
»Ach ja, Bapak? Wissen sie das?« Nicas Stimme überschlug sich. »Wusste
sie
es? Sag mir die Wahrheit!«
Bapak zuckte zusammen, Ibu legte die Hände vor das Gesicht und fing an zu weinen.
Noch immer lächelte Bapak, wenn auch etwas gezwungen: »Ach, Nica, was weißt du denn schon vom Leben? Wer reich ist, denkt ans Glück, wer arm ist, ans Überleben. Riani hat ihre Pflicht getan für die Familie. Das ist Glück für sie und für uns.«
»Aber sie ist nicht glücklich …«
Nun hatte Bapak genug. »Geh, Nica, geh auf dein
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