Du zahlst den Preis fuer mein Leben
…«
»Und Ibu? Sie hat nur das getan, was Bapak wollte. Sie tut mir leid.«
»Mir auch. Hilfst du mir?«
»Ich muss nachdenken. Ich sag dir Bescheid!«
»Kommst du nicht mit zur Schule?«
Nica schüttelt den Kopf. »Ich kenn deinen Text doch schon, ich kann ihn nicht noch einmal hören. Ich krieg die Erinnerung jetzt schon nicht mehr aus dem Kopf.«
»Dann drück mir wenigstens die Daumen. Ich muss unter die letzten vier kommen, sonst kann ich meinen Plan vergessen.«
Während Kali sich auf den Weg zur Schule macht, verbringt Nica die Zeit damit, einen kleinen Findling aus dem Vorgarten in den hinteren Teil vom Park zu rollen. Plötzlich steht Bapak vor ihr. »Was macht du da?« Er mag es gar nicht, wenn jemand die Ordnung, für die er im Park verantwortlich ist, durcheinanderbringt, selbst wenn es sich nur um einen Stein handelt.
»Es ist ein Grabstein für Riani«, sagt Nica und schaut ihn etwas unsicher an.
Bapak zuckt zusammen, für einen Moment sieht sie unendliche Trauer in seinen Augen. Dann zieht ein Lächeln über sein Gesicht. Ohne ein Wort zu sagen, hilft er ihr, den Stein durch den Garten zu rollen. Nachdem sie ihn neben dem Stein ihres Vaters platziert haben, verschwindet Bapak.
Nica pflanzt Vergissmeinnicht um den Stein. Danach malt sie mit schwarzer Farbe darauf:
RIANI
1998–2012
»Es war Schicksal, Nica!«
Als Nica sich erschrocken umdreht, sieht sie Ibu, die mit rot verweinten Augen dasteht und sie beobachtet.
»Nein, es war kein Schicksal, es war Bapak!«
»Das verstehst du nicht.«
»Nein, das verstehe ich nicht! Und das will ich auch nicht verstehen!«
»Aber warum, Nica? Du bist wie meine Tochter. Du …«
»Ich bin nicht deine Tochter und ich bin froh, dass ich das nicht bin. Sonst wäre ich jetzt wohl auch verkauft, schwanger oder tot!« Damit lässt sie Ibu stehen.
Als Kali am Abend zurückkommt, streckt er ihr schon von Weitem seine rechte Hand mit dem Victory-Zeichen entgegen. Er ist Zweiter geworden, steht nun im Finale. Er sieht sie fragend an.
»Ich bin dabei!«, sagt sie.
Zunächst einmal zieht Kali wieder bei seinen Eltern ein. Er bittet Bapak um Verzeihung. Auch Nica entschuldigt sich bei Ibu und Bapak für ihr respektloses Verhalten. Es fällt ihr sehr schwer, aber nur so wird Kalis Plan funktionieren.
»Eines Tages wirst du es verstehen«, sagt Bapak und lächelt. »Niemand kann sein Schicksal ändern. Wir müssen es in Demut und Dankbarkeit annehmen.
Inshallah!
«
In Nica steigt eine ungeheure Wut hoch. Kali wirft ihr einen warnenden Blick zu. Nica schluckt und schluckt, erstickt fast an ihrer Wut. »Ich muss jetzt gehen. Meine Mutter wartet auf mich«, stottert sie schließlich und verlässt fluchtartig die Wohnung.
Kali folgt ihr.
»Ich kann das nicht! Es ist so eine dicke Lüge. Ich ertrage das Gequatsche vom Schicksal nicht mehr.«
»Du musst. Riani ist tot. Und ich will, dass meine Eltern dafür büßen. Also reiß dich zusammen.«
Ibu ist überglücklich. Nica kommt wieder regelmäßig zum Essen nach oben. Die Familie ist versammelt. Basa-basi, die Harmonie ist wiederhergestellt.
»In einer Woche ist der große Poetry-Slam-Wettbewerb der Schule in der Stadthalle. Alle Eltern sollen kommen.« So kündigt Kali die Veranstaltung bei seinen Eltern an.
Ibu und Bapak wollen erst nicht. »Wir verstehen doch nicht alles.«
»Alle Eltern kommen«, sagt Nica. »Es macht keinen guten Eindruck, wenn ihr fehlt. Es ist unhöflich.«
Kali nickt Nica bewundernd zu. Unhöflich zu sein, ist das Letzte, was Bapak möchte. Das gehört sich nicht.
»Also gut. Aber wir sitzen neben Nica. Dann kann sie für uns übersetzen.«
Nica nickt. Sie wünscht sich, der Abend wäre schon vorüber.
16
Als sie eine Viertelstunde vor Beginn der Veranstaltung in die ehemalige Brauerei kommen, in der das Finale des Poetry-Slam-Wettbewerbs stattfinden soll, ist die Halle schon gut gefüllt. Auf Bänken, Stufen, in Fensternischen sitzen junge Leute, die sich fröhlich unterhalten. Das Finale ist traditionell eine Veranstaltung, zu der die Familie und Freunde eingeladen werden können. Die Schulaula ist dafür zu klein. Auch Leute von der Zeitung sind gekommen, wie Kali und Nica zufrieden feststellen.
Während Kali hinter die Bühne geht, führt Nica Kalis Eltern zu ihren Plätzen in der ersten Reihe. »Ehrenplätze«, erklärt sie ihnen. »Damit ihr alles besonders gut mitbekommt.«
Ibu und Bapak sehen sich um. Das haben sie sich irgendwie anders vorgestellt. »Brauerei? Was
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