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Dubliner (German Edition)

Dubliner (German Edition)

Titel: Dubliner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Joyce
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Kopf war groß und kugelförmig und glänzte; er schwitzte bei jeder Witterung; und sein großer runderHut, den er schräg aufsetzte, sah aus wie eine Knolle, die aus einer anderen hervorwächst. Den Blick hatte er immer starr geradeaus gerichtet, so als marschierte er in einer Parade, und wenn er sich auf der Straße nach jemandem umsehen wollte, musste er seinen ganzen Körper von den Hüften aus aufwärts drehen. Zurzeit hatte er keine festen Verpflichtungen. Gab es irgendwo Arbeit, war stets ein Freund zur Stelle, ihm diese unerfreuliche Mitteilung zu machen. Häufig sah man ihn in tiefem Gespräch mit einem Polizeibeamten in Zivil * . Er war über alles, was sich ereignete, genau im Bilde, und gab gerne ein endgültiges Urteil ab. Er redete, ohne seinem Gegenüber zuzuhören, und seine Gespräche drehten sich hauptsächlich um ihn selbst: Was er zu jemandem gesagt hatte, und was der darauf zu ihm gesagt hatte, und was er gesagt hatte, um die Sache zu klären. Wenn er diese Dialoge wiedergab, hauchte er den ersten Buchstaben seines Namens in der Art, wie es die Florentiner tun.
    Lenehan bot seinem Freund eine Zigarette an. Während die beiden jungen Männer die belebte Straße entlanggingen, drehte sich Corley gelegentlich um und lächelte einem vorbeigehenden Mädchen zu, während Lenehans Augen starr auf den großen, bleichen Mond geheftet waren, den ein doppelter Hof umgab. Aufmerksam beobachtete er den lichten grauen Schleier, der daran vorüberzog. Nach einer Weile sagte er:
    – Also ... nun sag mal, Corley, ich nehme an, du bringst das fertig, oder?
    Corleys Antwort war ein vielsagendes Zwinkern.
    – Wird sie da mitspielen?, fragte Lenehan zweifelnd. Bei Frauen weiß man nie.
    – Die ist schon in Ordnung, sagte Corley. Ich weiß, wie ich sie rumkriege. Sie ist ein bisschen in mich verknallt.
    – Du bist ein richtiger Casanova * , sagte Lenehan. Und was für ein Casanova!
    Eine Spur von Spott milderte seine Unterwürfigkeit. Er hatte die Angewohnheit, sein Gesicht dadurch zu wahren, dass man seine Schmeicheleien auch als Spötteleien deuten konnte. Aber Corley hatte keinen Sinn für solche Feinheiten.
    – Es geht nichts über ein gutes Hausmädchen, bekräftigte er. Das kannst du mir glauben.
    – Und du hast sie schon alle durchprobiert, sagte Lenehan.
    – Zuerst bin ich mit Mädchen gegangen, sagte Corley freimütig; Mädchen von der South Circular Road, verstehst du. Ich hab sie ausgeführt, Mann, irgendwohin mit der Tram, und hab für die Tram bezahlt, oder ich bin mit ihnen wohin gegangen, wo es ein Platzkonzert gab oder ins Theater, oder hab ihnen Schokolade oder Bonbons oder so was gekauft. Ich hab ordentlich Geld für sie ausgegeben, fügte er in überzeugendem Ton hinzu, so als habe er das Gefühl, dass ihm nicht geglaubt wurde.
    Aber Lenehan glaubte ihm durchaus; er nickte ernst.
    – Ich kenne dieses Spielchen, sagte er. Es ist ein Spielchen für Verlierer.
    – Und es hat mir verdammt gar nichts eingebracht, sagte Corley.
    – Dito, sagte Lenehan.
    – Nur bei einer Einzigen, sagte Corley.
    Er fuhr sich mit der Zunge über die Oberlippe, um sie zu befeuchten. Seine Augen leuchteten auf bei dieser Erinnerung. Er sah ebenfalls zu der bleichen Scheibe des Mondes auf, die nun fast ganz verschleiert war, und schien seinen Gedanken nachzuhängen.
    – Die war ... genau richtig, sagte er bedauernd.
    Er verstummte. Dann fügte er hinzu:
    – Sie geht jetzt auf den Strich. Ich hab sie eines Abends gesehen, wie sie mit zwei Kerlen in einem offenen Wagen die Earl Street hinunterfuhr.
    – Ich nehme an, das hat sie dir zu verdanken, sagte Lenehan.
    – Die hatte schon andere vor mir, sagte Corley gelassen.
    Diesmal war Lenehan geneigt, ihm nicht zu glauben. Er schüttelte den Kopf und lächelte.
    – Mir kannst du nichts vormachen, Corley, das weißt du, sagte er.
    – Ich schwör’s! sagte Corley. Sie hat’s mir ja selber gesagt.
    Lenehan machte eine theatralische Geste.
    – Schnöder Verführer!, sagte er.
    Als sie am Gitter des Trinity College entlanggingen, trat Lenehan ein paar Schritte hinaus auf die Straße und sah zur Uhr hinauf.
    – Zwanzig nach, sagte er.
    – Wir haben viel Zeit, sagte Corley. Die wird schon da sein. Ich lasse sie immer ein bisschen warten.
    Lenehan lachte leise.
    – Herrgott, Corley, du weißt, wie man sie behandeln muss, sagte er.
    – Ich kenn mich mit denen aus, gab Corley zu.
    – Aber sag mal, fragte Lenehan noch einmal, bist du ganz sicher, dass du das

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