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Dubliner (German Edition)

Dubliner (German Edition)

Titel: Dubliner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Joyce
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Bengel!
    Der Junge stieß einen Schmerzensschrei aus, als der Stock in seinen Schenkel schnitt. Er faltete seine Hände in der Luft, und seine Stimme bebte vor Angst.
    – Bitte, Pa!, rief er. Schlag mich nicht, Pa! Ich ... ich sag ein Ave Maria für dich ... Ich sag ein Ave Maria für dich, wenn du mich nicht schlägst ... Ich sag ein Ave Maria ...

E RDE
    Die Aufseherin hatte ihr erlaubt zu gehen, sobald die Frauen ihr Teekränzchen beendet hatten, und Maria freute sich auf ihren freien Abend. Die Küche war blitzsauber; die Köchin sagte, in den großen Kupferpfannen könne man sich spiegeln. Das Feuer flackerte hell, und auf einem der Anrichtetische standen vier riesige Rosinenkuchen. Diese Rosinenkuchen sahen so aus, als wären sie noch nicht angeschnitten; wenn man aber näher herantrat, merkte man, dass sie in lange, dicke, gleichmäßige Scheiben geschnitten waren, sodass sie zum Tee herumgereicht werden konnten. Maria hatte sie selbst geschnitten.
    Maria war wirklich eine sehr, sehr kleine Person, und sie hatte eine sehr lange Nase und ein sehr langes Kinn. Sie sprach ein bisschen durch die Nase, immer besänftigend: Ja, meine Liebe und Nein, meine Liebe . Sie wurde immer geholt, wenn sich die Frauen an den Waschzubern zankten, und immer gelang es ihr, Frieden zu stiften. Einmal hatte die Aufseherin zu ihr gesagt:
    – Maria, Sie sind eine wahre Friedensstifterin * !
    Und die zweite Aufseherin und zwei der Damen vom Vorstand hatten dieses Lob auch gehört. Und Ginger Mooney sagte immer, dass sie der Taubstummen, die sich um die Bügeleisen kümmerte, wer weiß was antun würde, wenn Maria nicht wäre. Alle hatten sie Maria so gern.
    Um sechs Uhr würden die Frauen ihren Tee bekommen, sodass sie noch vor sieben gehen konnte. Von Ballsbridgezur Nelson-Säule * zwanzig Minuten; von der Säule nach Drumcondra zwanzig Minuten; und zwanzig Minuten für die Einkäufe. Sie wäre noch vor acht da. Sie nahm ihre Geldbörse mit dem silbernen Bügel heraus und las noch einmal die Worte Ein Geschenk aus Belfast . Sie hing sehr an dieser Börse, denn Joe hatte sie ihr vor fünf Jahren mitgebracht, als er und Alphy am Pfingstmontag einen Ausflug nach Belfast gemacht hatten. In der Börse befanden sich zwei halbe Kronen und ein paar Kupfermünzen. Wenn sie das Straßenbahnbillett bezahlt hatte, blieben ihr noch volle fünf Shilling. Was für ein netter Abend das würde, wenn die Kinder alle sangen! Sie hoffte nur, dass Joe nicht betrunken heimkommen würde. Er war so anders, wenn er etwas getrunken hatte.
    Schon oft hatte er ihr vorgeschlagen, doch zu ihnen zu ziehen, aber sie hätte das Gefühl gehabt zu stören (obwohl Joes Frau schrecklich nett zu ihr war), und sie hatte sich an das Leben in der Waschanstalt gewöhnt. Joe war ein guter Kerl. Sie hatte ihn ebenso wie Alphy großgezogen, und Joe sagte oft:
    – Mama ist Mama, aber Maria ist meine eigentliche Mutter.
    Als es zu Hause den Riesenkrach gab, hatten die Jungen ihr diese Stellung in der Waschanstalt Dublin by Lamplight * besorgt, und sie gefiel ihr. Früher hatte sie immer so schlecht von den Protestanten gedacht, aber jetzt fand sie sie sehr nett, ein bisschen still und ernst, aber trotzdem sehr nett im Umgang. Und dann hatte sie ja ihre Pflanzen im Wintergarten, die sie gern versorgte. Sie besaß wunderschöne Farne und Wachsblumen, und wenn mal jemand zu Besuch kam, gab sie ihm ein oder zwei Ableger aus ihrem Wintergarten. Eins gefiel ihr allerdings nicht, und das waren die Traktate an den Wänden; aber die Aufseherin war solch eine umgängliche und nette Frau, richtig vornehm.
    Als die Köchin ihr sagte, dass alles bereit sei, ging sie in den Frauenraum und läutete die große Glocke. Nach wenigen Minuten kamen die ersten Frauen zu zweit oder dritt herein, wischten sich die dampfenden Hände an den Unterröcken ab und rollten die Ärmel ihrer Blusen über die dampfgeröteten Arme herunter. Sie setzten sich vor ihre großen Becher, und die Köchin und die Taubstumme gossen ihnen aus großen Blechkannen heißen Tee ein, der schon mit Milch und Zucker gemischt war. Maria überwachte die Verteilung des Rosinenkuchens und sorgte dafür, dass jede Frau ihre vier Stücke bekam. Während der Mahlzeit wurde viel gelacht und gescherzt. Lizzie Fleming sagte, Maria würde bestimmt den Ring kriegen, und obwohl die Fleming dasselbe schon so oft an Halloween * gesagt hatte, musste Maria wieder darüber lachen und erwidern, sie wolle weder einen Ring noch einen Mann; und als

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