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Dubliner (German Edition)

Dubliner (German Edition)

Titel: Dubliner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Joyce
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sie lachte, glitzerte zaghafte Enttäuschung in ihren graugrünen Augen, und ihre Nasenspitze berührte beinahe die Spitze ihres Kinns. Dann erhob Ginger Mooney ihren Teebecher, und während die anderen Frauen mit ihren Bechern auf dem Tisch klapperten, brachte sie ein Hoch auf Marias Gesundheit aus und sagte, es wäre ihr lieber, sie könnte ihr mit einem Glas Porter zuprosten. Und wieder lachte Maria, dass ihre Nasenspitze fast die Spitze ihres Kinns berührte und ihr schmächtiger Körper schier zerbarst, denn sie wusste, dass die Mooney es gut meinte, auch wenn natürlich ihre Vorstellungen die einer ganz einfachen Frau waren.
    Wie froh war Maria, als die Frauen mit ihrem Tee fertig waren und die Köchin und die Taubstumme sich daran machten, das Geschirr wegzuräumen! Sie ging in ihre Schlafkammer, und da ihr einfiel, dass am nächsten Morgen Frühmesse war, stellte sie den Wecker von sieben Uhr auf sechs. Dann zog sie ihren Arbeitsrock und die Hausstiefel aus, legte ihren besten Rock aufs Bett und stellte ihrewinzigen Ausgehstiefel ans Fußende. Sie wechselte auch die Bluse, und während sie vor dem Spiegel stand, musste sie daran denken, wie sie sich als junges Mädchen immer für die Sonntagsmesse zurechtgemacht hatte; und mit drolligem Wohlgefallen betrachtete sie ihren winzigen Körper, den sie schon so viele Male herausgeputzt hatte. Trotz seiner Jahre fand sie ihren kleinen Körper noch immer nett und adrett.
    Als sie aus dem Haus trat, glänzten die Straßen im Regen, und sie war froh, ihren alten braunen Wettermantel zu haben. Die Straßenbahn war voll, und sie musste mit dem kleinen Sitz am Ende des Wagens vorliebnehmen, wo sie den anderen Leuten gegenübersaß und ihre Zehenspitzen kaum den Boden berührten. Sie ging in Gedanken durch, was sie alles zu erledigen hatte, und dachte, wie gut es war, unabhängig zu sein und eigenes Geld in der Tasche zu haben. Sie hoffte, sie würden einen netten Abend verbringen. Sie war sich dessen sogar sicher, musste aber auch denken, wie schade es war, dass Alphy und Joe nicht miteinander redeten. Immer stritten sie sich in letzter Zeit, und dabei waren sie als Jungen immer die besten Freunde gewesen: aber so war nun mal das Leben.
    An der Nelson-Säule stieg sie aus und huschte flink zwischen den vielen Menschen hindurch. Sie betrat die Konditorei Downes, aber da war der Laden so voll, dass es eine ganze Weile dauerte, bis sie bedient wurde. Sie kaufte ein Dutzend gemischte Penny-Kuchen, und mit einer großen Tüte verließ sie endlich das Geschäft. Dann überlegte sie, was sie sonst noch kaufen könnte: Es sollte etwas wirklich Nettes sein. Äpfel und Nüsse hätten sie ja jedenfalls schon reichlich. Es war schwer zu entscheiden, was sie kaufen sollte, und außer Kuchen fiel ihr nichts ein. Sie beschloss, etwas Pflaumenkuchen zu kaufen, aber der Pflaumenkuchen von Downes hatte nicht genug Mandelguss, und deshalb gingsie hinüber in ein Geschäft in der Henry Street. Sie brauchte eine ganze Weile, um das Richtige zu finden, und das fesche Fräulein hinter dem Ladentisch wurde schon spürbar ungeduldig und fragte, ob sie denn eine Hochzeitstorte kaufen wolle. Da wurde Maria ganz rot, und sie lächelte das Fräulein an; aber das Fräulein blieb völlig ernst und schnitt schließlich ein großes Stück Pflaumenkuchen ab, packte es ein und sagte:
    – Zwei Shilling und vier Pence, bitte.
    In der Straßenbahn nach Drumcondra dachte sie schon, sie werde stehen müssen, weil keiner der jungen Männer sie zu bemerken schien, aber dann machte ihr ein älterer Herr Platz: Er war ein kräftiger Herr, und er trug einen braunen steifen Hut; er hatte ein eckiges rotes Gesicht und einen grau melierten Schnurrbart. Maria fand, er sehe aus wie ein Oberst, und sie dachte darüber nach, wie viel höflicher er doch war als diese jungen Männer, die einfach vor sich hin starrten. Der Herr begann ein kleines Gespräch über Halloween und das Regenwetter. Er nahm an, die Tüte sei voller guter Sachen für die Kleinen, und meinte, es sei auch ganz richtig, dass es den Kindern gutgehe, solange sie klein seien. Maria stimmte ihm zu und schenkte ihm dann und wann ein zaghaftes Nicken und Räuspern. Er war sehr nett zu ihr, und als sie an der Canal Bridge ausstieg, dankte sie ihm und machte eine Verbeugung, und auch er verbeugte sich und lüftete seinen Hut und lächelte liebenswürdig; und während sie die Häuserreihe entlang hinaufging, den kleinen Kopf vor dem Regen gesenkt, dachte sie,

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